5 Fragen an ... Alex Capus

5 Fragen an ... Alex Capus

Lieber Alex Capus, Ihr Roman Königskinder vereint und kreuzt ein historisches Liebespaar mit einem Paar aus der Gegenwart. Max und Tina bleiben auf einem verschneiten Alpenpass stecken und müssen die Nacht im Auto verbringen. Um die Zeit zu vertreiben, erzählt Max eine Geschichte. Das steht der mündlichen Erzähltradition sehr nahe.
Ich wollte diese Geschichte auf eine ganz natürliche, intime Weise erzählen – leise und vertraulich ins Ohr flüstern wollte ich meinem Leser die Geschichte, möglichst direkt und intensiv, wie Scheherezade in Tausendundeiner Nacht um ihr Leben Geschichten erzählt. Auch in meinem Roman befindet sich das Heldenpaar in einer existentiellen Notlage und hilft sich mit einer Erzählung durch die Nacht.

Auch bei Ihren öffentlichen Lesungen erzählen Sie am liebsten frei von den Figuren und deren Erlebnissen und Abenteuern. Warum?
Erzählende Literatur, wie ich sie verstehe, sollte dieses Element der Direktheit und Unmittelbarkeit immer aufweisen, darum erzähle ich bei öffentlichen Lesungen lieber frei, als meinen eigenen Text zu deklamieren. Bei diesem Buch allerdings habe ich die freie Rede sozusagen als Stilmittel eingesetzt, es wird auf der Bühne kaum mehr möglich sein, mündlich die Unmittelbarkeit der Erzählsituation noch zu steigern. Vielleicht werde ich deshalb diesen Herbst wieder mehr vorlesen, also den Text szenisch vortragen.

Und welches Potenzial haben Sie darin gesehen, einen ganzen Roman so anzulegen?
Die meisten Menschen ahnen heute, glaube ich, dass wir in einer Epoche der Zeitenwende leben. Große Veränderungen stehen uns bevor, das fühlen wir ganz sicher, aber wir wissen nicht, wie die Welt morgen aussehen wird. Ebenso ging es den Menschen am Vorabend der Französischen Revolution. Die Aufklärung hatte den Blick zu neuen Horizonten geöffnet, die alten Feudalregimes waren morsch, gewaltige Kriege und Umwälzungen standen bevor. Und dann war da in diesen Zeiten, in denen kein Stein auf dem anderen blieb, ein Paar wie Marie und Jakob, das gegen alle Widerstände, gegen alle pragmatische Vernunft und gegen jede Wahrscheinlichkeit beisammen blieb. So viel Vertrauen, Beharrlichkeit, Loyalität und Treue finde ich ungemein tröstlich in einer Zeit, in der Ehen schon online übers Internet mit ein paar Klicks geschieden werden können.

Die Geschichte, die Max erzählt, ist die Liebesgeschichte der beiden Bauernkinder Jakob und Marie. So unglaublich sie klingt, beruht sie doch auf einer wahren Geschichte. Was hat Sie daran fasziniert?
Der Hofadel in Versailles war 1789 ganz entzückt über die rührende Geschichte vom Schweizer Kuhhirten und seinem treuen Bauernmädchen, deshalb hat sie in Briefen und Tagebüchern einige Spuren hinterlassen. Elisabeth, die kleine Schwester Ludwigs XVI., erwähnt Jakob und Marie immer wieder mit großer Zuneigung, und ihre Trauung wie auch die Geburt der Tochter sind in den Kirchenbüchern von Versailles detailliert festgehalten. Auch zu Hause im Greyerzerland finden sich Spuren des Paars in den Archiven – in den Musterungsrollen der Söldnerheere, in den Kirchenbüchern u.a.m. Hinzu kommen die historischen Recherchen über die Ballonfliegerei, die überall in Europa Mode wurde, über die Vulkanausbrüche auf Island, die Reisebedingungen in Frankreich, die Essgewohnheiten, die Arbeitsumstände, die Lebenserwartung ... und dann bin ich natürlich an all den Orten gewesen, an denen sich meine Helden in der Geschichte aufhalten.

Ihrem Roman wohnt ein großer Zauber inne. All die Dramen, das historische Panorama, das Schicksal von Jakob und Marie breiten sich mit großer Leichtigkeit aus. Ist das so leicht erarbeitet, wie es wirkt?
Es ist für mich das Allerwichtigste, einen Erzählton größtmöglicher Leichtigkeit zu erreichen; darauf verwende ich sehr große Mühe und viel Arbeit. Ich habe manchmal die Empfindung, dass es im Zwiegespräch zwischen der Leserschaft und mir ein zuvor festgelegtes Maß an Mühe gibt. Je mehr davon ich auf mich nehme, desto leichter und froher ist die Lektüre für den Leser. Mache ich es mir hingegen zu leicht, bleibt für den Leser die ganze Mühe übrig. Was meinen Sie, ist das so?

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