5 Fragen an ... Jan Mohnhaupt

5 Fragen an ... Jan Mohnhaupt

Das Buch bietet einen Blick auf Spinnen, der zeigt, wie verblüffend und spannend diese Tiere sind. Man fragt sich bei der Lektüre immer wieder, warum so viele Menschen eine Abneigung gegen Spinnen haben. Was ist der Grund dafür in unseren Breiten?
Die Wissenschaft ist sich da nicht einig. Es gibt mehrere Theorien, je nachdem, wen man fragt. Eine Theorie besagt, dass schon unsere Urahnen sich vor gefährlichen Spinnen in Acht nahmen, überlebten und so ihre Gene und Furcht weitergaben. Allerdings gibt es keine Hinweise, dass es solch gefährliche Spinnen je gegeben hat. Von den weltweit mehr als 50.000 Spinnenarten ist der Biss nur von einem kleinen Bruchteil medizinisch relevant für den Menschen. Gerade in dortigen Regionen werden Spinnen teils aber vergöttert oder sogar gegessen. Daraus ergibt sich eine weitere Theorie – dass die Spinnenangst vor allem kulturell beziehungsweise religiös bedingt oder anerzogen ist. Gerade in christlich geprägten Ländern findet sich die stärkste Abneigung gegen Spinnen.

Die ,Spinneʻ ist überall, wo der Mensch auch ist. Wie steht es um ihr Image in anderen Kulturen?
Sehr unterschiedlich, gerade bei indigenen Völkern in aller Welt gibt es viele positive Mythen. Die für ihre Webkunst bekannten Mapuche in Chile etwa berufen sich auf eine mütterliche Urspinne namens llalliñkushe, die ihnen das Weben beigebracht haben soll. Etwas ambivalenter, aber sehr vielschichtig, ist der Blick auf die Spinne in den Mythologien im westlichen Afrika. Dort taucht sie mal als Schöpfergott, mal als Überbringer des himmlischen Feuers und mal als Trickster auf – eine Art Gauner, der stets auf seinen Vorteil bedacht, dabei aber nie brutal oder bösartig ist und in gewissem Maße sogar sympathisch wirkt. Tendenziell kann man aber sagen: Je „zivilisierter" sich eine Kultur gibt, je weiter sie sich von der Natur entfernt hat, desto spinnenfeindlicher ist sie meistens auch.

Wie sähe unsere Welt ohne Spinnen aus?
Wir würden wahrscheinlich vor lauter Blattläusen, Fliegen und Mücken ersticken. Hochrechnungen zufolge vertilgen alle Spinnen weltweit jährlich bis zu 800 Millionen Tonnen an Insekten und anderen Kleintieren. Schon im 19. Jahrhundert vermutete der amerikanische Arachnologe Henry C. McCook, dass der Mensch in vielen Teilen der Erde allein der Spinne sein Überleben verdanke.

In das Buch sind viele Interviews mit Expertinnen und Experten eingeflossen. Welche Begegnung während der Recherche war besonders einprägsam?
Bei den menschlichen war es vor allem das Gespräch mit der Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar, die den Spinnen in ihren Romanen eine Rolle zuweist, die man in der deutschen Literatur so wohl kein zweites Mal findet. Mit dem Arachnologen Peter Jäger und dem Vogelspinnen-Experten Peter Klaas hatte ich zwei Gesprächspartner, die ebenfalls seit ihrer Kindheit den Spinnen verfallen sind – Brüder im Geiste könnte man sagen. Bei den tierlichen Begegnungen war es eindeutig die mit der heimischen Art Pisaura mirabilis, der sogenannten List- oder Brautgeschenkspinne. Der Name bezieht sich auf das Balzverhalten des Männchens, das dem Weibchen eine in Seide gewickelte tote Fliege bringt, damit es nicht selbst gefressen wird. Nach der Paarung versucht das Männchen, dem Weibchen das Geschenk wieder zu entreißen, um es bei einem anderen erneut anzubieten.

Spinnen spielen in der Psychoanalyse eine Rolle, aber im Buch erfährt man zudem, dass sie nicht nur die Träume der Menschen bevölkern, sondern vermutlich auch selbst träumen. Welche Dinge tun sie noch, die man nicht von ihnen erwartet?
Manche von ihnen machen, wie gesagt, Geschenke und versuchen, sich übers Ohr zu hauen. Andere betreiben Brutpflege bis hin zur Selbstaufgabe, auch Matriphagie genannt. Das gibt es bei mehreren Spinnen-Arten. Dabei lassen sich die Weibchen nach dem Schlüpfen der Jungen von diesen auffressen, um ihnen einen bestmöglichen Start ins Leben zu garantieren. Wieder andere, wie die Springspinnen der Gattung Portia, gehen bei der Jagd geradezu strategisch vor, fast wie Katzen. Anders als die meisten Spinnen haben sie sehr gute Augen, können daher ihre Beute und die Umgebung gut einschätzen. So sind sie etwa in der Lage, zu erkennen, wann es sich lohnt, einen Umweg zu gehen, um ihr Ziel zu erreichen, oder welche Beute man besser von hinten angreift.

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