5 Fragen an ... Hans Platzgumer

5 Fragen an ... Hans Platzgumer

Sind Sie eigentlich ein Krimifan, Herr Platzgumer?
Ehrlich gesagt: nein. Ich wäre es aber gern. Alle paar Monate lese ich einen Krimi, oft mit Genuss, gerade kürzlich wieder einen tollen Simenon. Doch meistens hinterlassen diese Lektüren wenig Spuren in mir. Ich konsumiere sie schnell und vergesse sie wieder. Ich liebe Spannung und offene Rätsel, aber noch mehr liebe ich es, wenn Literatur mein Welt- und Sprachverständnis erschüttert und erweitert. Diesen Mehrwert bieten mir Krimis eher selten.

Bogners Abgang ist ja definitiv kein Krimi, auch wenn es der Roman schon sehr spannend macht. Der Roman hat einen solchen Sog, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann, bevor alle Teile ineinander gefallen sind. Spürt man diesen Zug auch beim Schreiben?
Natürlich. Wenn so etwas geschieht, ist es das größte Geschenk für mich als Autor. Ich kann mich dann hineinfallen lassen und es selber kaum erwarten zu sehen, wie es weiter geht. In solchen Momenten wird Schreiben fast wie Lesen. Man ist nicht mehr Texterfinder, sondern Protokollant. Übrigens war Bogners Abgang in einer frühen Fassung einmal fast ein Gerichtsdrama. Doch dann merkte ich, dass mir dieses Genre nicht liegt, und ich ging die Geschichte nochmal komplett neu an.

Nach einem, sagen wir Vorfall, auf einer Kreuzung in Innsbruck, der aus verschiedenen Perspektiven geschildert wird, stellt sich die Frage, was ist wirklich passiert. Und vor allem, wer trägt Schuld. Stellen Sie die elementare Schuldfrage?
Sie wird hier eigentlich unausweichlich, und es ist den Leserinnen und Lesern überlassen, sie zu beantworten. Die Schuldfrage läuft oft auf ein subjektives Urteil hinaus, wer mehr und wer weniger Schuld an etwas trägt. Ich denke, jede Leserin und jeder Leser, ich selbst nicht ausgenommen, wird im Laufe dieses Romans persönliche Sympathien entwickeln und am Ende unterschiedliche Hauptschuldige ausmachen. Die Schuld ist auf viele Schultern verteilt.

Bogner ist Künstler und wird von einem Kunstkritiker coram publico gedemütigt. Eine Szene, die Sie mit viel Witz schildern. Die Lust an der Kränkung?
Hier offenbaren sich durchaus sadistische Züge. Doch will sich der Kritiker bewusst an jemandem abreagieren oder erliegt er einfach einer naheliegenden Versuchung? Es macht ja viel mehr Spaß, öffentlich etwas zu verreißen als zu loben – das habe ich beim Schreiben dieser Szene wieder gemerkt. Und für Unbeteiligte macht es auch mehr Spaß, einen Verriss als eine Huldigung zu lesen. Nur wird leicht übersehen, was das womöglich anrichtet. Das Interessante an Kränkungen ist ja, dass sie sich, eine nach der anderen, große wie kleine, offensichtliche wie scheinbar lächerliche, im Gekränkten ansammeln. Niemand weiß, wann die kritische Masse an Kränkungen erreicht ist, die imstande ist, eine Menschenseele zu zerstören. Mit einem Mal ist eine rote Linie überschritten. So geschieht es hier. Und natürlich sind wir alle vielfach Gekränkte, niemand ist ausgenommen. Jede und jeder hat seine ganz persönliche Kränkungsgeschichte.

Der Roman könnte überall spielen, oder? Gibt es einen Grund dafür, dass Sie gerade mit diesem Buch zu ihren örtlichen Wurzeln zurückkehren?
Meine Romane haben bislang quasi auf der ganzen Welt gespielt, von der hohen Arktis bis in die libysche Wüste, von Santa Monica bis Pripjat, nun hatte ich wirklich einfach Lust darauf, eine Geschichte mal in meiner Geburtsstadt anzusiedeln. Auch wenn sich ein solch unheilvolles Geschehen ebenso gut in Wien oder Hamburg oder Saragossa ereignen könnte. Locations dienen mir immer als Inspiration. Bogners Abgang kam nun mal in Innsbruck in die Gänge. Und seither ist er für mich auch voll und ganz dort verortet.

Interview: Bettina Wörgötter

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