5 Fragen an ... Hans Platzgumer

5 Fragen an ... Hans Platzgumer

Als Musiker haben Sie eine Weltkarriere gemacht, wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Seit den neunziger Jahren habe ich vermehrt Soundtrack-Arbeiten gemacht. Mittlerweile haben sich an die achtzig Produktionen angesammelt. Durch diese Vielzahl an Vertonungen unterschiedlichster Texte für Theater, Filme oder Hörspiele bin ich ins literarische Schaffen vorgedrungen, zuerst mit einem autobiografischen Roman zur Jahrtausendwende und eigenen Hörspielen. Inzwischen nimmt das Schreiben für mich einen höheren Stellenwert ein als das Musizieren.

Besteht für Sie zwischen dem Komponieren und dem Schreiben – beides individuelle, kreative Schaffensprozesse – ein großer Unterschied?
Es sind verschiedene Ausdrucksformen derselben kreativen Energie, beides entspringt Momenten der Inspiration, denen ich mit kompromissloser Leidenschaft nachfolgen will. Atmosphärisch ähneln meine musikalischen Werke meinen literarischen. Meine schriftstellerischen Kompositionen wiederum bedienen sich einer Vielzahl musikalischer Mittel: Melodieführung, Rhythmuswechsel, Dynamikunterschiede, Repetitionen und stets einer Vorliebe für das Unerwartete. Dennoch ist der musikalische Schaffensprozess ein sinnlicherer und das Schreiben ein intellektuellerer Vorgang. Musik wird gespielt, Manuskripte wollen erarbeitet werden. Ich bin in einem Alter, in dem ich die Arbeit mindestens so schätze wie das Spiel.

Eine zentrale Frage Ihres Romans ist die, wie weit jemand geht bzw. gehen darf, wenn er überzeugt ist, das Richtige zu tun. Was hat Sie an dieser Frage interessiert?
Es sind philosophisch-ethische Fragen, die ständig mein Denken und Schreiben befeuern. Was sind die Rechte und Pflichten des Einzelnen? Was kann, darf, was muss man tun, um in Entwicklungen einzugreifen, und wo liegen die Grenzen dieses Engagements? Solche Themen ziehen sich vom breiten gesellschaftlichen Kontext in den privaten Bereich hinein, wo meine Protagonisten sich ihnen exemplarisch zu stellen haben. Fragen, die keine knappen Antworten zulassen, aber ein Schriftsteller kann sie immer wieder neu beleuchten und somit zugänglicher machen.

Die Umgebung, die Natur, der Berg nehmen in Ihrem Buch Hauptrollen ein. Ist das auch in Ihrem Leben so?
Die schriftstellerische Arbeit, wie ich sie betreibe, lebt vom Wechsel zwischen dem Sammeln von Eindrücken und dem Reflektieren. Ich bin viel auf Reisen und habe in vielen Teilen und Metropolen der Welt gelebt. So entsteht der Pool, aus dem ich mich beim Schreiben bediene. Für die Schreibarbeit selbst ziehe ich mich zurück, und zwar nicht nur an den Schreibtisch, sondern mit Vorliebe in möglichst ungestörte Natur. Bei Bergwanderungen in größtmöglicher Einsamkeit kommen mir oft Ideen. Das Setting zu „Am Rand“ ist bei solch einem Ausflug entstanden. Die eindrücklichsten Momente meines Lebens waren oft jene, in denen ich mich einer übermächtigen Natur auslieferte, den Gletscherwelten Spitzbergens etwa oder in Neuseeland.

Zu Beginn Ihres Romans „Am Rand“ steigt der Erzähler früh am Morgen auf einen Berg und kündigt einen letzten Schritt an, den er tun möchte, nachdem er uns erzählt hat, was ihn an diesen Rand eines Felsens geführt hat. Wissen Sie beim Schreiben von Anfang an, wie die Geschichte endet? Oder lassen Sie sich überraschen?
Früher meinte ich, beim Schreiben mehr oder weniger starre Konzepte verfolgen zu müssen, was zu gut durchdachten, aber teils mehr oder weniger starren Büchern führte. Mittlerweile habe ich gelernt, mich weitgehend von Vorgaben zu befreien. Am Anfang eines Romans steht für mich nur ein Setting, eine Grundsituation, eine Stimmung, aus der heraus sich die Geschichte möglichst selbst entwickeln soll. Gerold Ebner sitzt am Rand dieses Felsens. Wie er dort hingekommen ist, weiß ich nicht im Vorhinein. Ich will mich selbst hineinziehen lassen in etwas, ohne zu wissen, wie ich wieder herauskomme. Wenn es gelingt, beginnt der Text dadurch zu leben. Es ist aufregend. Mit jeder unbeschriebenen Seite eines Romans liegen die Möglichkeiten des Scheiterns oder des Über-mich-Hinauswachsens direkt nebeneinander vor mir ausgebreitet.

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