5 Fragen an ... Alem Grabovac

5 Fragen an ... Alem Grabovac

Herr Grabovac, in den Kritiken zu Ihrem ersten Roman Das achte Kind wird Ihr lakonischer und mitunter auch chronistischer Stil gelobt. Warum erzählen Sie gerade persönlich inspirierte Geschichten so wertfrei?
Gesinnung, Tugend oder Moral haben in der Kunst nichts zu suchen. Nur aus der Großzügigkeit gegenüber menschlichen Ambivalenzen entstehen spannende und fesselnde Geschichten. Und wenn man schon ein Scheißleben hatte, kann man doch wenigstens gute Literatur daraus machen.

Was hat es mit dem Titel Die Gemeinheit der Diebe auf sich?
Die Handlung kreist um Herkunft und Heimat, Tito und Helmut Kohl, um Kriege, Gewalt, Schuld, Sühne, Vergebung und einen Wunderheiler namens Braco, der angeblich allein durch seinen Blick die Menschen von ihrem Leid erlösen kann. Nahezu jede Figur im Roman ist auf die eine oder andere Art ein Dieb oder eine Diebin. Die unterschiedlichen Dimensionen ihrer Gemeinheiten sind allerdings enorm. Ja, wer sind die Diebe und worin bestehen ihre Gemeinheiten in all unseren Biografien?

Im Roman sagt die Figur Alem, dass seine Mutter und er ihr Leben immer wieder „verpasst" haben. Was meint er damit?
Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die, um der Armut zu entkommen, wie so viele andere aus der ersten Gastarbeitergeneration, auf beinahe alles verzichtet hat. Der Preis für eine vermeintlich bessere Zukunft war der Verzicht auf ein gemeinsames Familienleben, vielleicht sogar auf überhaupt irgendein selbstbestimmtes Leben. Während meine Mutter in Frankfurt Akkord in der Fabrik schuften musste, wuchs ich in Süddeutschland bei einer deutschen Pflegefamilie auf. Uns fehlen ganz einfach die gemeinsamen Bilder, Erlebnisse und Erinnerungen, die ein Mutter-Sohn-Verhältnis so grundlegend prägen. Und als dann Dušan, ihr langjähriger Lebenspartner, der mich in der Kindheit mit dem Gürtel verprügelte, vor ein paar Jahren verstarb und sie Wahnvorstellungen bekam und seinen Geist im Schrank klopfen hörte, wurde unsere ohnehin instabile Beziehung noch einmal grundsätzlich auf die Probe gestellt.

Hat Ihre Mutter, auf deren Biografie die Geschichte von Smilja basiert, in Deutschland je eine Heimat gefunden?
In gewisser Weise könnte man meinen Roman auch als Heimatroman bezeichnen. Eine Heimat allerdings, in der die Gefühle, Ängste, Träume, Ausgrenzungen, Widersprüche, Leistungen und Einflüsse der Gastarbeitergenerationen als integraler und auch gestaltender Bestandteil der jüngeren deutschen Geschichte ganz selbstverständlich im kollektiven Gedächtnis mitgedacht werden. In dieser anderen, umfassenderen Erzählung hat meine Mutter auch hier ein Zuhause gefunden. Als sie allerdings ein „All-inclusive-Angebot" für ihr Begräbnis in der alten Heimat erhält, entscheidet sie sich für die Rückkehr in ihr kroatisches Bergdorf.

Die Gemeinheit der Diebe ist einerseits ein eigenständiger Roman und andererseits die Fortsetzung und Vertiefung Ihres Debütromans Das achte Kind. Wird es noch einen dritten Teil geben? Sozusagen eine Heimat-Trilogie mit Migrationshintergrund?
Das würde mich freuen. Trilogie klingt ja irgendwie schön und gewichtig. Allein, ich weiß es nicht. Schauen wir mal, was das Leben noch so an Wendungen und Überraschungen bereithält.

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