Presse
„Das Sterben der Eltern nutzt Wurster, um ihre Kindheit zu beschreiben, nicht um damit abzurechnen. Sie tastet sich zum eigenen Ich. Zu dem, woher man kommt und warum man so geworden ist. … Maren Wursters Schreiben ist eines, das bei sich angekommen ist. Ein Schreiben, was sich nur vor sich selbst verantworten muss, wie ein Kind, das groß geworden ist. Was für ein friedliches Buch der eigenen Identität gegenüber.“ Laura Ewert, ZEIT Online, 04.08.21
„Wurster trifft einen intimen Ton, der vorwurfs- und wertungsfrei ist, gleichzeitig durchlässig für die eigenen Empfindungen. ... Mithilfe dieser ‚Archäologie des Verlusts‘ erforscht sie durch die Eltern sich selbst und das Abschiednehmen und findet eine Form, die der erlebten Überwältigung entspricht: im dichten Verweben der Zeitschichten, die sie nach wiederkehrenden Motiven durchsiebt, in erschütternd zärtlicher Präzision.“ Eva Behrendt, Die Tageszeitung, 02.12.21
„Es ist kein Roman, sondern Erfahrungsbericht und biographische Erkundung, sehr verdichtet und mit literarischen Qualitäten. Ein hartes Buch mit viel Schicksal und Elend ... Und es gibt auch tröstliche Passagen.“ Wolfgang Schneider, Tagesspiegel, 28.11.21
„Bestürzend …. Eine literarische Konfrontationstherapie mit den größten Ängsten eines (erwachsenen) Kindes.“ Marlen Hobrack, Die Zeit, 02.09.21
„Es ist kein Roman, sondern Erfahrungsbericht und biographische Erkundung, sehr verdichtet und mit literarischen Qualitäten. … Maren Wurster hat ein besonders eindringliches geschrieben, ein Buch, das nicht im Nachhinein vom Erlebten berichtet, sondern den Niedergang der Eltern und die eigenen Strapazen der Fürsorge begleitet. Das Schreiben und die reflektierende Distanz mögen der Autorin erst die Kraft gegeben haben, von der wir hier lesen.“ Wolfgang Schneider, SWR2, 16.01.22
„Der schwierige Abschiedsweg, zugleich ein Plädoyer für die Fürsorgearbeit, ist mit den Reflexionen verschiedener Denker unterlegt und so feinfühlend offen erzählt, dass es Mut macht. Ihr Schreiben wird zur ‚Archäologie des Verlustes‘, die weit in die Familiengeschichte zurückreicht: hellwach, radikal und ungemein tröstlich.“ Bettina Hesse, WDR5, 07.08.21
„Wurster hat einen nüchternen Ton gewählt und einen sehr skrupulösen Zugang. Da wird alles in Zweifel gezogen, nichts beschönigt. Die Demenz ist brutal, nicht schrullig. Und dass sie den Vater der Mutter vorzieht, daraus macht Wurster kein Hehl. … Und gerade weil dieses Memoir ‚live‘ geschrieben ist, weil die Autorin beim Schreiben eben noch nicht wusste, ob etwa ihr Entschluss, die Eltern nach Berlin ins Pflegeheim zu holen, sich als schrecklicher Fehler erweisen würde, entfaltet der Text eine ruhige Kraft.“ Bettina Steiner, Die Presse, 13.08.21
5 Fragen an …
Maren Wurster
Liebe Maren Wurster, Papa stirbt, Mama auch ist ein sehr persönliches Buch, in dem es um den Abschied von deinen Eltern geht, die beide schwer krank sind. War es schwer, einen derart persönlichen Text zu schreiben?
Mir ist es schwergefallen, den Text zu ordnen und dann vor allem, ihn zu veröffentlichen. Geschrieben habe ich ihn aus einer inneren Notwendigkeit heraus, das war aufwühlend, aber nicht schwer. Ich habe mich auf meine Trauer eingelassen und beschrieben, was geschehen ist und was geschieht. Aus dieser Atmosphäre des Stillstands haben sich die Verluste und Verletzungen, die Liebe und die schönen Momente ineinander gewoben. Und dann dachte ich, dass andere Menschen sich darin mit ihren Erfahrungen und Gefühlen vielleicht wiederfinden können.
Dein Buch ist zugleich ein Versuch, die komplizierte Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern zu verstehen – gab es beim Schreiben Momente, die für dich selbst überraschend waren?
Ja, wie lange ich den Erzählfäden folgen konnte, die ich aufgegriffen habe. Mein Text ist eine Archäologie des Verlusts, indem ich mich an Momenten des Verlassen-Werdens in meiner Familie entlanghangele und ihnen bis in die Geschichte der Urgroßeltern folge. Es hat mich überrascht, wie Krankheit und Abschied, aber auch Geborgenheit und Zusammenhalt über die Generationen hinweg in das Leben meiner Eltern, mein eigenes Leben und das meines Kindes hineinwirken. Ich konnte mich und uns in diesem „tableau vivant“ sehen und verstehen.
Du schreibst teilweise über Ereignisse, die gerade stattfinden, etwa über die Covid-19-Erkrankung deiner Mutter und die Überforderung der Pflegekräfte – ist es gut oder schlecht, so wenig Distanz zum Geschehen zu haben, sie so unmittelbar in den Text einfließen zu lassen?
Als meine Mutter an Covid-19 erkrankt ist, zusammen mit fast allen anderen Bewohnerinnen und Bewohnern des Pflegeheims, war ich wochenlang die einzige Angehörige, die überhaupt Zugang hatte. Ich wollte festhalten, welche Situation für alle Beteiligten entstanden ist, auch für die Pflegerinnen und Pfleger, die bis an ihre Grenzen gegangen sind. Mein Schreiben ist phänomenologisch, ich beobachte, beschreibe genau und möchte nicht werten. Das ermöglicht mir, auch „live“ zu schreiben – und den Leserinnen und Lesern, darin selbst eine Position zu finden. Zugleich war das keine bewusste Entscheidung. Die Dinge sind geschehen und haben sich überschlagen und ich musste sie schreibend festhalten.
Dein Buch dreht sich im Kern um sehr aktuelle Themen wie weibliche Care-Arbeit und die Zustände in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Was denkst du, muss sich ändern, damit Betroffene und Angehörige entlastet werden?
Wir müssen Fürsorgearbeit als grundlegende Arbeit für unsere Gesellschaft verstehen, die Fürsorge für unsere Mitmenschen, für unsere Kinder, unsere Eltern und auch für die Umwelt. Diese Leistung ist elementar für alle anderen Bereiche. Die aktuelle Krise führt uns das deutlich vor Augen. Die US-Soziologin Riane Eisler sagt, dass Empathie und Kooperation den wahren Wohlstand einer Gesellschaft zeigen. Und wenn wir so denken, diesen Wertewandel herbeiführen, dann führt das zu einem anderen Miteinander, in dem die Pflegearbeit einen ganz anderen gesellschaftlichen Stellenwert bekommt und auch ganz anders vergütet wird.
Was bedeutet würdevolles Sterben und wie hat sich dein Blick auf dieses Thema nach deinen Erfahrungen der letzten Jahre verändert?
Nicht die Lebensverlängerung, sondern die Frage, wie ein Mensch seine letzte Lebenszeit erfahren möchte und darf, halte ich für entscheidend: in geborgener Atmosphäre, mit seinen Liebsten und dank Medikamenten ohne Schmerzen. Dazu gehört auch der berechtigte Wunsch, sein Leben beenden zu wollen. Der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio sagt, Sterbebegleitung sei auch liebevolles Unterlassen. Ich teile dies. Der Text übt insofern auch Kritik an der Intensivmedizin und darüber hinaus an den Quarantäne-Maßnahmen, die zu menschenunwürdigen Situationen führen.