Presse
"Es ist weniger ein Epidemieroman als einer über osmanische Zeiten, in dem die Menschen stark lieben, stark kämpfen, und – wenn als das nichts hilft – einen starken Abgang hinlegen." Jörg Plath, Deutschlandfunk Büchermarkt, 30.03.22
"Ein gewaltiges Epos über Intrigen und Zärtlichkeit in der Krise." Die Zeit Literaturbeilage, 17.03.22
"Zur Kunst Orhan Pamuks gehört freilich auch, dass er uns immer wieder herausreißt aus seiner Story und hineinwirft in die Geschichte. Beide vermischen sich untrennbar. Wir weinen und lachen, wir freuen uns über Erkenntnisse." Arno Widmann, Frankfurter Rundschau, 07.03.22
"Das Panorama eines einstmals idyllischen Mikrokosmos, der im Chaos zu versinken droht. Pamuk vermischt mit leichter Hand historische Fakten und fiktive Geschehnisse, leidet mit den Pestkranken, fühlt mit den Liebenden, amüsiert sich über den Dünkel und die Winkelzüge der Mächtigen." Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.02.22
"Der Roman ist neuerlich ein Beweis, dass Orhan Pamuk nach dem Nobelpreis 2006 die Nobelpreis-Höchstform erreichte.“ Peter Pisa, Kurier, 19.02.22
"Es bietet für mich das Beste was Literatur bieten kann: Uns Distanz schenken um auf Dinge zu schauen, die uns bedrängen. … Es ist ein absoluter Glücksfall, dass einer der größten Erzähler der Welt ein Buch schreiben konnte, bei dem er einem menschheitsgeschichtlichen Unglück durch Zufall einen Schritt voraus war. Und deshalb haben wir jetzt einen Roman, der uns unsre Zeit so viel besser betrachten und verstehen lässt.“ Thomas Böhm, rbb RadioEins, 17.02.22
"Für die Freiheit, vor allem für die Freiheit des Wortes, tritt Orhan Pamuk seit vielen Jahren ein – manchmal auch vor Gericht. Dieses Mal aber mit großer Überzeugungskraft und äußerst unterhaltsam mit seinem neuen Roman.“ Joachim Dicks, NDR Kultur, 14.02.22
"Ein brillant geschriebenes, üppig und ausschweifend erzählendes Buch über eine verheerende Pandemie, aber auch eine Mentalitätsstudie und eine historische Betrachtung über die Auflösung des osmanischen Reichs.“ Dirk Fuhrig, Deutschlandfunk Lesart, 14.02.22
"Ein Meister der akribischen Erzählung ... Pamuks Stärke waren schon immer die Genauigkeit und das Literarisieren von zeitgenössischen, aber auch osmanischen Fakten." Barbara Frischmuth, Die Presse, 12.02.22
"Ein echter Schmöker ... Ungeheuer amüsant, in unendlichen Details geistreich und voller Witz. Er hat ein epochales Werk über die Nationenwerdung um 1900 geschrieben, das Abenteuerromanhaftes und Staatstheoretisches glücklich vereint." Adam Soboczynski, Die Zeit, 10.02.22
"Pamuks Pest-Roman bringt das Kunststück fertig, sowohl Gruselmärchen wie Geschichtsbuch zu sein. Obwohl sein Thema todtraurig ist, ist es überraschend verspielt und gleichzeitig hochpolitisch." Christiane Schlötzer, Süddeutsche Zeitung, 08.02.22
5 Fragen an …
Orhan Pamuk
Lieber Orhan Pamuk, Sie haben lange Zeit an den Nächten der Pest geschrieben, schon Jahre vor der Coronapandemie damit begonnen. Wann kamen Sie zu der Idee?
Ich denke seit vierzig Jahren darüber nach, ein Buch über eine historische Seuche zu schreiben. Es gibt eine Figur in meinem Roman Das stille Haus, die eine vergangene Plage recherchiert oder auch Szenen über die Pest in Istanbul des 17. Jahrhunderts in meiner Erzählung Die weiße Festung. Vor vierzig Jahren haben mich an den Pandemien Tod, Metaphysik, Religion und das Mystische interessiert. Später dann überwogen Überlegungen zu den politischen Aspekten der Quarantäneverhängungen. Die aktuelle Coronapandemie ist im März 2020 ausgebrochen, zu der Zeit habe ich meinen Roman gerade fertiggestellt.
Welche Bücher haben Sie am meisten beim Schreiben an den Nächten der Pest beeinflusst?
Ich habe Berichte von britischen Ärzten gelesen, die in Indien und China während der dritten Pestpandemie um 1900 gearbeitet haben. Sie wurden in umfangreichen Sammelbänden veröffentlicht und sind sehr nützlich, wenn man menschliche Verhaltensmuster studieren möchte. Außerdem hat mich Joseph Conrads Roman Nostromo beschäftigt, der genau wie mein Buch im frühen 20. Jahrhundert angesiedelt ist, und Daniel Dafoes Die Pest zu London von 1722, was im Vergleich das beste literarische Buch über die menschliche Psyche und Epidemien ist, aber ein eher bescheidener Roman.
Die Insel Minger ist eine Erfindung von Ihnen. Sie beschreiben sie als eine multikulturelle Gesellschaft aus Türken und Griechen. Hatten Sie einen speziellen realhistorischen Ort vor Augen, wo die Verhältnisse ähnlich waren?
Alle ägäischen Inseln waren durch das Aufeinandertreffen von Griechen und Türken geprägt. Die meiste Zeit über waren etwa 80% der Bevölkerung griechisch und 20% muslimisch, aber ich habe meine fiktive Insel etwas davon abweichen lassen, um die Themen, die mir wichtig sind, besser anbringen zu können. Geografisch und anhand seiner Flora kommt Minger der Insel Kreta aber ziemlich nahe.
Ihre Geschichte ist aus der Perspektive einer weiblichen Historikerin geschrieben. Wie wichtig war Ihnen historische Akkuratesse, besonders in Bezug auf die beschriebenen Hygienemaßnahmen?
Sehr wichtig. Ich habe viel Zeit darauf verwandt, ein detailliertes Bild des untergehenden Osmanischen Reichs heraufzubeschwören, seiner versagenden Bürokratie, seiner Paschas und Doktoren. Ich habe mich von den Erinnerungsberichten muslimischer Ärzte inspirieren lassen, die versucht hatten, die Epidemie in den letzten Tagen des Osmanischen Reichs zu stoppen, konfrontiert mit den Vorurteilen einer ungebildeten Bevölkerung. Ich habe wirklich viel recherchiert, was mein Buch eventuell etwas länger gemacht hat als eine übliche Detektivgeschichte. Aber es hat mir einfach wahnsinnig viel Spaß gemacht, über osmanische Postämter, Briefmarken, Apotheken, Arzneimittel und Gifte zu schreiben.
Welche Leserreaktionen haben Sie bisher am meisten überrascht?
Am meisten überrascht hat mich die Popularität des Romans, denn ich hätte nicht gedacht, dass Leser sich damit während einer tatsächlichen Pandemie auseinandersetzen wollen. Vielleicht liegt das am Humor des Textes, der dafür sorgt, dass die Geschichte leichtfüßig und gut lesbar bleibt. Und dass meine türkischen Leserinnen und Leser den Roman erneut deutlich politischer sehen als ich erwartet hätte.