Autorenschreibtisch: Tobias Elsäßer

Autorenschreibtisch: Tobias Elsäßer

Wo schreibt Tobias Elsäßer?

Im Kopf herrscht Chaos. Ständig. Das ist so, wenn man seit der Kindheit ADHS hat und sich auch im Erwachsenenalter damit herumschlagen muss. Ein relativ aufgeräumter Schreibtisch, in einem relativ aufgeräumten Zimmer. Das hilft mir dabei, den Fokus auf das Schreiben zu lenken, und nur darauf. Auch das Schnarchen von Rocky, unserem Hund, dämpft das neuronale Dauerfeuer in meinem Gehirn. Die für die Konzentration wichtige, geringe Tiefenschärfe, die Kurzsichtigkeit, schenkt mir die naturgegebene Linsenkrümmung meiner Augen. Nur der Monitor, nur die Buchstaben, nur die Wörter, nur die Geschichte. Mehr darf, mehr will ich nicht sehen. Gerade in Zeiten wie diesen, wo eine Hiobsbotschaft die nächste jagt und die Dualität zwischen Gut und Böse, zwischen Helfenden und Mordenden deutlicher denn je zutage tritt. Ich suche diese Insel. Ich brauche diese Insel. Auf ihr werden Geschichten geboren – meine Geschichten. Dort zu bleiben, dem schreibenden Ich ein Zuhause zu geben, ist mein Beruf. Zu flüchten ist mein Beruf, könnte man kritisch anmerken. Die Augen nach innen zu richten. Für Etappen von ein, zwei Stunden vor Krieg, Hunger, Umweltzerstörung und Tyrannei wegzulaufen. Sich zu verstecken. Feige zu sein. Ja, ich bin feiger. Aber ohne diese Insel gäbe es keine Geschichte. Ohne diese Insel bliebe nur das lähmende Gefühl, nichts von dieser Welt zu verstehen.

 
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