Autorenschreibtisch: Marko Dinić

Autorenschreibtisch: Marko Dinić

Das ist nicht mein Arbeitsplatz ...

Der Schreibtisch in meinem Zimmer, der hier auf dem Foto abgebildete Schreibtisch, ist nicht mein Arbeitsplatz. Da in der Bibliothek im Wiener Rathaus, in der ich normalerweise schreibe und arbeite, das Fotografieren verboten ist, müssen sich die Leserinnen und Leser mit diesem unaufgeräumten Bild begnügen. Der Vorzug der heimischen Bibliothek mag sich gegenüber der Arbeit nicht so recht einstellen, wenn sich im selben Raum auch gleich das Bett befindet, welches schließlich öfter frequentiert wird als der gutbegrünte Schreibtisch.

Für die konzentrierte Arbeit bedarf es eines Arbeitsweges oder zumindest einiger mit Tram und U-Bahn hinter sich gebrachter Kilometer, die einem einen Arbeitsweg, den andere durch ihre geregelten Arbeitszeiten jeden Morgen mit einer beinahe verschämten Selbstverständlichkeit gehen, vorgaukeln. Und mit jedem hinter mir gebrachten Kilometer, jedem verschmitzten Guten Morgen, das ich dem Feuerwehrmann am Eingang des Rathauses entgegenwerfe, jeder Fahrt mit dem hauseigenen, sich träge nach oben schleppenden Paternoster, mit jedem Kaffee und mit jeder Zeitung, die ich mir im Vorraum der Bibliothek tagein tagaus teilweise Stundenlang, ohne auch nur den Ansatz eines Drucks zu verspüren, einverleibe, werde ich mir wieder jener ungeheuren (ach, unerhörten!) Tatsache bewusst, nicht viel mehr vorweisen zu können als dieses Privileg, mich Schriftsteller schimpfen zu dürfen.

Das obige Foto zeigt nicht meinen Arbeitsplatz, es zeigt meinen Wohnraum, einen Hort für Dinge, die außer mir keiner braucht — meine Buchstadt. Mein Arbeitsplatz, da er nicht fotografiert werden darf, muss sich mit den mageren Substantiven begnügen, die ich für ihn hervorgekramt habe, Substantive wie: Prunk, Bürgermeister, Hof, Melancholie, Radiatorenhitze, Archiv oder Zigarettenpause.

Personen

Newsletter
Newsletter