5 Fragen an ... Thomas Girst

5 Fragen an ... Thomas Girst

Lieber Thomas Girst, Sie erzählen Geschichten über erstaunliche Dinge, die sehr viel Zeit brauchen. Wollen Sie uns nervös machen?
Quark, im Gegenteil. Ich predige weder Digital Detox noch die Entschleunigung des Slow Movement. Der Dogmen sind genug. Es geht um Schönheit. Wozu der Mensch fähig ist, wenn er sich die Zeit dafür nimmt. In der Ära des Algorithmus verwende ich mich für den Zufall, in der Epoche der Abkürzung preise ich den Umweg.

Was hilft ein Lob des langen Atems, wenn mein E-Mail-Postfach überquillt?
Haben Sie jemals bemerkt, dass die, die am meisten beschäftigt sind, immer direkt auf E-Mails antworten. Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist, hat Jesus laut Matthäus 22, 21 gesagt. Jeden Tag führe ich den Kampf mit der Inbox, dass sich rechts nicht der Scroll Button bildet. Ist das am Abend bewältigt, ist endlich die Zeit für den langen Atem gegeben.

Wo haben Sie ihre Geschichten gefunden?
Im Gespräch mit Bekannten und Freunden. Im Austausch mit Forschern und Wissenschaftlern. Das wichtigste in all meinem Tun, beruflich wie privat, ist mir der Erkenntnisgewinn. Tobias Heyl, den Lektor meines Buches bei Hanser, hatte ich gebeten, dieses Wort bis auf einmal in meinem Manuskript zu tilgen. Er fand es peinliche elfmal.

Ihre Lieblingsgeschichte? Und warum?
Das ist eine unfaire Frage. Von 28 Kapiteln sind mir 28 am Liebsten, alles andere wäre bösartig. Die Kapitel sind nicht nummeriert, es gibt keine Hierarchie. Vielleicht ist die Frage nach der Lieblingsgeschichte die des Nukleus, des Beginns. Mitte 2015 reiste ich mit einem Mietauto von Marseille aus nach Hauterives, um den »Palais ideal« zu sehen, den der Briefträger Ferdinand Cheval in über drei Jahrzehnten in seinem Gemüsegarten am Ufer der Galore erbaute. Eben dort entstand die Idee für Alle Zeit der Welt, mein erstes Buch in deutscher Sprache. Der unglaubliche Bau des Postboten wird folgerichtig direkt nach dem Vorwort vorgestellt.

Wieviel Zeit ist von der ersten Idee zu diesem Buch bis zum Abschluss des Manuskripts vergangen?
Ich habe lange an der Alliteration von »Things Take Time« festgehalten. Alle meine Ordner zum Buch begannen mit dem Kürzel »TTT«. Zunächst war ich schlussendlich vergeblich um einen englischsprachigen Verlag bemüht und habe das Buch 2016 mit 2-3 Probekapiteln entsprechend zu pitchen begonnen. Mitte 2017 bekundete Hanser dann Interesse und ich begann in den Skiferien im Januar 2018 meine Arbeit daran. Abgabe war im Oktober desselben Jahres.

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