5 Fragen an ... Sylvie Schenk

5 Fragen an ... Sylvie Schenk

In Roman d’amour geht es um wahre Liebe, um falsche Liebe – und davon, wie man von all dem erzählen kann. Liebe Sylvie Schenk, warum wenden Sie sich in Ihrem neuesten Buch so konzentriert der Liebe zu?
Weil es irgendwann für mich zu spät sein wird. Und aus Trotz, weil es so schwer ist, darüber zu schreiben. Dabei kann niemand ohne Liebe, ohne berührt zu werden gut, leben. Kein Kind, kein Erwachsener, kein Greis. Die Liebe, das Verschmelzen mit einem Menschen und mit der Natur, das ist nicht das Einzige, aber ist es nicht das Schönste, das Tröstendste, das wir gegen den Pessimismus und den Materialismus der Zeit anzubieten haben? Ich will über das Wesentliche schreiben. Liebe und Tod, die Natur, die Zeit, die einen beugt und zerbricht. Ich habe Lust auf Romantisches, auch wenn ich mich gelegentlich gern mit Humor und Ironie davon distanziere.

In Ihrem Roman treffen zwei Frauen aufeinander, eine Schriftstellerin und eine Journalistin, die in ihrem Gespräch mehr und mehr die Rolle von Geliebter und betrogener Ehefrau einnehmen. Wollen Sie für beide Seiten Verständnis schaffen – oder ist Ihr Roman parteiisch in dieser Frage?
Ja, ich bin parteiisch. Meine Sympathie geht an die Geliebte, die verlassen wurde, an die Schriftstellerin, die sich eben mit dem Schreiben rettet. Ich habe eine Schwäche für Loser aller Art und hege nun mal diese Sympathie für Verlassene, Sünderinnen und einsame Schriftstellerinnen. Aber im Lauf des Schreibens, und je mehr ich mich der ihr gegenüberstehenden Frau näherte, die mehr und mehr die Seite der betrogenen Ehefrau vertritt, desto mehr mochte ich auch sie und bewunderte auch diese Frau – am Ende habe ich ihren Freiheitssinn beneidet! Sie hat ihr Leben in die Hand genommen, einen gleichsam einsamen, zynischen, humorvollen und am Ende zuletzt versöhnlichen Weg eingeschlagen. Eine Frau mit Charakter.

Die Autorin in Ihrem Roman schöpft aus ihrem Liebeskummer heraus immer wieder den Antrieb, schriftstellerisch tätig zu sein. Ist Liebeskummer ein guter Motor für die Kunst?
Wie jedes starkes Gefühl: Liebe, Trauer, Hass, Scham, das Gefühl von Einsamkeit, Wut. Liebeskummer kann man ganz unmittelbar und im rohen Zustand in die Form eines Gedichtes gießen und später verfeinern, sinnvoller ziselieren. Die Stärke eines Gefühls ist allerdings kein Garant für Qualität, womöglich weit davon entfernt. Spontaneität auch nicht. Also ja, Liebeskummer ist ein Motor, und auch ein schönes, reichhaltiges Thema, aber unter der Bedingung, dass man hart daran arbeitet und sich eben nicht nur »ergießt«.

Irland und seine Natur nehmen einen großen Raum ein, die Landschaft wird zur Kulisse einer Utopie und ist Realität zugleich. Was das Paar dort erlebt, könnte man als die realistische Fiktion einer heimlichen Liebe beschreiben. Warum Irland?
Ich bin einmal selbst durch Irland geradelt und war begeistert von der Weite des Horizontes, dem Himmel und von der Herzlichkeit der Bewohner. Ich bin aufgewachsen in den Bergen; Alm und weiße Gipfel bleiben meine privilegierten Landschaften. Für die Kulisse eines Liebesromans aber eignet sich das Meer als Ort des Unergründlichen, des Unbewussten. Die sanften, grünen Hügel, das Wasser, das Fließende (auch in der Bewegung des Fahrrads) erinnern uns an unsere Ohnmacht vor der fließenden Zeit: Nichts können wir greifen und festhalten. Außerdem ist Irland eine Insel. Inseln sind Zufluchts- und Schutzorte, Nester für Vögel und Schiffbrüchige und auch für diese Liebenden. Eine Insel kann aber auch das Gegenteil sein: ein Ort der Einsamkeit, der Isolation, ein Gefängnis. Auch der zweite große Schauplatz des Romans ist ja eine Insel. Eine kleinere Nordseeinsel, auf der sich die beiden Frauen viele Jahre später begegnen. Es war für mich wichtig, auch diese Spiegelung herzustellen.

Roman d’amour ist auch ein postmodernes Spiel, eine Satire auf autofiktionales Schreiben und seine Rezeption. Verarbeiten Sie darin auch Erfahrungen, die Sie selbst als Autorin gemacht haben?
Nur zum Teil. Einer Journalistin, wie ich sie im Buch beschreibe, bin ich nie begegnet. Einer ungesunden Neugier kaum. Einem Missverständnis meiner Worte nur selten. In meinen letzten Romanen Schnell, dein Leben und Eine gewöhnliche Familie vermischt sich in der Tat Biographisches und Fiktionales. Das Erfundene ist aber nicht da, um die Spuren zu verwischen, sondern um mir – schreibend und verdichtend – eine Ordnung, einen Sinn, eine Struktur, eine Folgerichtigkeit zu geben, die ich im eigenen Leben nicht fassen kann; dann auch, um die Leitmotive und Leitfäden eines Schicksals hervorzuheben. Ich gebe durch das Schreiben meinem Leben eine Richtung, eine Bedeutung, möglicherweise aus Furcht, es hätte im Grunde sonst beides nicht. Selbstverständlich muss ich in Interviews oft erzählen, was erfunden ist und was nicht, ebenfalls bei Lesungen. Ich finde diese Neugier der Rezipienten aber berechtigt. Es geht darum, einen Text und eine Arbeitsweise zu verstehen, oder für sich selbst die Frage zu klären, was Selbstfiktion ist, und wodurch sie sich von einer erzählenden Biographie unterscheidet. Bei Lesern oder Zuhörern gibt es immer auch den Wunsch nach Identifikation, nach Widerspiegelung. Ja, sagen sich viele, das habe ich auch selbst so erlebt. Literatur wird dann zu Selbsterkenntnis und führt zu einem fruchtbaren Austausch. Das Gefühl, dass eine Geschichte »echt« ist, wird von den Lesern meist honoriert. Bei meinen Gesprächen über meine Bücher bin ich übrigens selbst oft an meine Grenzen gestoßen, wusste nicht mehr wirklich, was wahr war und was nicht, auch das Erlebte wurde mir auf einmal fremd, wahrscheinlich weil ich es unmittelbar anders erlebte, als Jahre später beim Schreiben. Bei der Autofiktion ist es so, als ob man zwei Fäden zusammenstrickt und sich erst dadurch ein Motiv ergibt. Das Fiktive zeigt sich oft realer und echter als das Erlebte, weil dieses Erfundene die echten Ängste, die echten Wünsche sichtbar macht.

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