5 Fragen an ... Sven Hanuschek

5 Fragen an ... Sven Hanuschek

Lieber Sven Hanuschek, Erich Kästner wird seit bald hundert Jahren von seiner Leserschaft geliebt. Wie hat er das geschafft?
Er zieht sich sein Publikum von klein auf – wer die Kinderbücher kennt, will später auch wissen, was dieser Autor für die Erwachsenen geschrieben hat. Und: Er ist ein großer (immer noch unterschätzter) Stilist. Die Klarheit in Gedanke und Wort, von der er in einer Selbstvorstellung spricht, die Prägnanz und Einfachheit sind schon mit einiger Kunstanstrengung hergestellt. Die Texte haben manchmal noch eine Etage mehr, als es scheint, und heben die Stimmung des gefl. Publikums eher, als es in Abgrund und Verzweiflung zu hinterlassen.

Wie kamen Sie vor 25 Jahren dazu, die erste große Kästner-Biografie zu schreiben?
Das kam aus einem Forschungsprojekt heraus; es ging da um den deutschen PEN bis zur deutschen Einheit 1989. Kästner war 10 Jahre lang PEN-Präsident gewesen und für mich eine der wichtigsten Figuren in diesem Projekt. Ich hatte dafür alles über ihn gelesen, und mir war aufgefallen, dass es keine Biografie gab, die ihm nicht gefallen hätte – die waren alle brav beim inszenierten Bild vom Kinder- und Katzenonkel geblieben, und da war doch noch einiges mehr zu sagen, Widersprüchlicheres, auch Tragik zwischen all der Komik. Außerdem wurde erstmals sein ganzer Nachlass zugänglich.

Lesen wir Kästner heute anders als vor 25 Jahren?
Das hoffe ich doch. Der Erwachsenen-Kästner ist wieder sehr präsent, durch die neuen Editionen, in der Folge auch einigen Filmen, gab es viele Überraschungen, mit denen wir noch lange nicht 'durch' sind.

Gibt es einen Text von Kästner, der Ihnen besonders wichtig ist?
Für mich ist sein Hauptwerk »Der Gang vor die Hunde«, sein bester und (wie seine politischen Beiträge) leider aktueller Roman der ausgehenden Weimarer Republik; mit einem Romanhelden, der nicht weiß, wo's langgeht – ganz undeutsch in unserer rechthaberischen Debattenkultur – und von dem sich das Lesepublikum am Ende distanzieren soll. Schwungvoll, frech und genau.

Und welches Buch empfehlen Sie zum Einstieg?
Man erfährt viel über Kästner in seiner Kindheitsautobiografie »Als ich ein kleiner Junge war« – das einzige Buch, wo er sich nicht entscheiden konnte, ob das nun für Erwachsene oder für Kinder sein soll, und in dem es mal keine idealisierte Fantasie-Mutter gibt, sondern ein Porträt, das der wirklichen ziemlich nahe kommen dürfte. Und ich mag ein paar seiner Erzählungen besonders, in denen sich zwischen höherem Geblödel, hartem Sozialrealismus, Utopie und Sentimentalität so einiges findet, das üblicherweise nicht so sehr mit Kästner verbunden wird.

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