5 Fragen an ... Philipp Blom

5 Fragen an ... Philipp Blom

Lieber Philipp Blom, in den Diskussionen über die Klimakatastrophe kommen die Geisteswissenschaften kaum zu Wort. Was haben sie zu sagen?
Wir können die Natur durch Technologien verändern und damit reich werden, aber in welche Richtung es geht, entscheiden die Geschichten, die wir uns als Gesellschaften erzählen, über Gut und Böse, Tugend und Laster, Schicksal und Freiheit. Deswegen ist es wichtig, die Geschichte der Unterwerfung der Natur zu verstehen, zu analysieren und auch darzustellen, dass sie eben nicht die einzige Weise ist, in der Welt zu sein, sondern dass sie ein Modell unter vielen ist, das jetzt abgelöst wird.

Ihr Buch handelt davon, wie sich der Mensch schon vor Jahrtausenden zum Herrscher über die Natur aufgeschwungen hat. Gibt es Hoffnung, dass er sich von dieser Obsession befreit?
Die Frage birgt schon die Antwort in sich: “Der Mensch” ist nicht ein (männliches) Individuum, dass sich bewusst zu etwas entschließen kann, weil es eben richtig ist. Es sind Milliarden von Frauen und Männern mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen, Wissenshorizonten und Gestaltungsspielräumen. So viele unterschiedliche Menschen entscheiden sich nicht gemeinsam, vielleicht aber werden sie durch die Umstände gezwungen, mehr oder weniger gemeinsam und erfolgreich in eine andere Richtung zu gehen. Dann kann sich auch eine neue Sicht auf die Welt festigen.

Welche Schwierigkeiten gilt es zu bewältigen, wenn man sich daran macht, die Universalgeschichte einer Idee zu schreiben?
Zuerst mal ganz einfach die Ignoranz. So ein riesiges Projekt bedeutet immer, dass man an die Grenzen seines Wissens stößt, aber gleichzeitig ist es wichtig, Zusammenhänge herzuleiten und vergleichende Fragen zu stellen. Auf der anderen Seite steht die Lesbarkeit. Es hilft niemandem, wenn ich ein Werk von 1400 Seiten schreibe, das das letzte Wort zum Thema sein will. Lieber wähle ich mir einige Aspekte aus, während ich andere weglasse und versuche, eine Geschichte zu erzählen, die für mich wesentliche Ideen vermitteln, ohne die Leserinnen zu überwältigen, denn dann bleibt das Buch ungelesen und die Arbeit sinnlos.

Welche Erkenntnis hat sie bei Ihrer Arbeit am meisten überrascht?
Wie kulturell begrenzt die Idee der Naturbeherrschung ist und wie so eine spezifische und seltsame Idee zur instinktiven Weltsicht von zahllosen Menschen werden kann. Es zeigt einmal mehr, wie tief wir in unseren Geschichten stecken.

Wenn der Herrschaftsanspruch des Menschen den Planeten an den Rand des Abgrunds gebracht hat: Müssen wir dann nicht die Weltgeschichte überhaupt anders als bisher erzählen?
Natürlich! Bis ins 19. Jahrhundert war Geschichte eine Geschichte großer Männer, dann kamen langsam andere Formen der Geschichte auf, die sich mehr mit Kulturen und Gesellschaften, mit Minderheiten und mit Ideen oder sozialen Strukturen beschäftigte. Das war sehr spannend, aber jetzt ist es an der Zeit, die Geschichte des Menschen auch als die Geschichte eines Organismus in einer natürlichen Umgebung zu erzählen, der nur in Wechselwirkung mit dieser Umgebung florieren, sich arrangieren, oder untergehen kann. Die Geschichte des Menschen als natürliches Wesen, als Teil geologischer, biologischer und klimatischer Welten eröffnet noch einmal ganz neue Horizonte.

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter
Newsletter