5 Fragen an ... Percival Everett

5 Fragen an ... Percival Everett

Lieber Percival Everett, wie ist die Idee für den Roman Die Bäume entstanden?
Die einfachste Antwort ist: Aus meinem Leben als Schwarzer Amerikaner. Ich hatte schon länger darüber nachgedacht, mich mit dem Thema der rassistischen Lynchmorde in den USA zu beschäftigen. Zur Keimzelle des Romans wurde ein Lied von Lyle Lovett. Er hat den traditionellen Song Ain’t No More Cane, usprünglich ein Arbeitslied aus den Südstaaten-Gefängnissen, gecovert und mit einem anderen, I Will Rise Up, zusammengebracht. Ich dachte: Was, wenn sich wirklich alle erheben? Es geht mir im Buch auch um den Unterschied zwischen Recht und Moral. Wir empfinden das Recht nicht immer als moralisch – und der Gedanke daran ist beunruhigend.

Teile der Romanhandlung – etwa die Geschichte um Emmet Till – beruhen auf wahren Begebenheiten. Warum sollte sein Name im Roman stehen? Und wie ist das mit den Nachkommen seiner Mörder, ist das Wahrheit oder Fiktion?
Das sind keine tatsächlich passierten Geschichten. Sie könnten aber sehr wahr sein. Emmett Tills Fall wiederum ist repräsentativ. Der Mut von Tills Mutter, die dafür sorgte, dass zehntausende an seinem offenen Sarg sehen konnten, was ihm angetan worden war, hat Kultstatus. Man kann Emmett Till als ein Symbol sehen – ich sehe ihn lieber als einen Jungen, der nie erwachsen werden durfte. In der amerikanischen Geschichte gibt es unzählige dieser Figuren. Einige andere von ihnen werden im Buch in Damons Liste der Lynchmordopfer erwähnt.

Können Sie mehr zur wichtigen Rolle von Namen in Ihrem Roman erzählen?
Namen bedeuten viel in unserer Welt. In Namen sehen wir mal Familiengeschichten, mal die Träume und Hoffnungen, die Eltern für ihre Kinder hegen, und mal sehen wir Versuche, sich der Sprache der Unterdrücker zu bemächtigen. In Literatur können Namen sehr verschiedene Rollen spielen.

Was sagen Sie zu der Diskussion um das N-Wort – und zur Frage seiner Übersetzung?
Es ist ein beleidigendes Wort. Dabei wäre es genauso beleidigend, wenn mich jemand mit „N-Wort" beschimpfen wie wenn jemand mich „Nigger" nennen würde. Das Wort ist historisch aufgeladen – das zu verstehen ist nötig, ebenso wie sein Gebrauch und sein Verhältnis zu Rassismus mitzudenken sind. Dieses Wort zu verwenden, um über das Wort zu sprechen, ist keine Beleidigung. Es zu nutzen, um jemanden herabzusetzen, schon. Ein Rassist, der „Nigger" mit „N-Wort" ersetzt, fügt seiner Beleidigung eine Ebene hinzu, die schwer in Worte zu fassen ist.

Die Bäume ist stellenweise wahnsinnig komisch. Dabei ist der Roman den weißen Rednecks gegenüber politisch nicht korrekt. Warum diese Komik bei dem ernsten Thema? Und ist es kein Widerspruch, Rassismus auf der einen Seite zu verurteilen und ihn auf der anderen Seite zuzulassen?
Es wäre leicht, einen düsteren, dichten Roman über Lynchmorde zu schreiben – den will aber niemand lesen. Dazu braucht es ein Element der Verführung. Humor ist ein großartiges Mittel dafür. Das Lachen bewirkt, dass sich die Lesenden entspannen – und dann kann man alles mit ihnen machen, sie konfrontieren. Der Roman lebt ebenso sehr davon, Stereotype umzudrehen, wie davon, eine Wahrheit über Lynchmorde aufzudecken. Ich habe kein Problem damit, Leute mit meinen typisierten weißen Figuren verärgert zu haben. Ich weiß nicht, ob das Buch wirklich politisch nicht korrekt ist. Aber selbst wenn es das ist: Es ein Lehrbeispiel dafür, was Schwarze Amerikaner:innen seit Jahrhunderten in Literatur und Film erfahren. Ja, ich bin unfair in diesem Roman. Meine Frage an alle, die sich an der Darstellung stören, lautet: „Wie fühlt es sich an?"

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