5 Fragen an ... Niklas Maak

5 Fragen an ... Niklas Maak

Herr Maak, heute schon mit Alexa gesprochen?
Nein. Ich habe keine Alexa und auch keine anderen Sprach-Bots. Ein Freund von mir hat eine Alexa – allerdings eine, mit deren Lautsprecher etwas nicht in Ordnung war. Plötzlich hatte sie keine warme Stimme mehr, sondern schepperte und krächzte böse wie die Hexe im Puppentheater und gab sinnlose und keuchende Geräusche von sich. Wie in einer Gespenstergeschichte, so, als ob sich auf einmal der wahre Charakter der Geräte offenbarte, mit denen wir uns ausspähen lassen.

Die Anekdote taucht auch in Technophoria auf. Wie viel Recherche steckt in diesem Roman?
Viel – ich hatte die Chance, im Rahmen eines Uni-Projekts viel Zeit mit den Planern der neuen Smart Cities zu verbringen, die alles aus unseren Städten herausreißen, was wir kennen, und durch eigene Produkte ersetzen wollen: nicht nur Fassaden und Autos, sondern auch die Sozialsysteme. In Kanada und Japan bauen Firmen wie Google und Toyota Privatstädte, in denen die Konzerne sogar die Polizei und die Gesundheitssysteme stellen – und alle Geräte senden dauernd die Daten ihrer Benutzer irgendwo hin. Was da kommt, ist eine der größten Revolutionen, die es gab. Nur bekommt man es noch nicht in dem Maße mit, in dem es schon passiert. Ich habe japanische Roboterbauer getroffen, die uns darauf vorbereiten wollen, dass nicht alle, mit denen wir in Zukunft reden, Menschen aus Fleisch und Blut sind. Ich habe Zeit in riesigen Serverfarms verbracht, in denen alle Daten und Downloads und SMS und Nachrichten der Gegenwart gespeichert werden – endlose Serverracks, die blinken wie eine Großstadt bei Nacht. Auf eine gewisse Weise ist das, was man da sieht, auch eine Großstadt – ein Spiegel der echten Großstadt und all dessen, was darin verschickt und hochgeladen und kommuniziert wird. Ein kollektives Gehirn. Diese riesigen Data-Center haben auch eine ungeheure Schönheit.

Im Roman gerät Turek, eine der Hauptfiguren, immer wieder mit elektronischen Helfern in Konflikt und verschwindet schließlich in so einem Data Center. Sind Sie im Herzen Kulturpessimist?
Überhaupt nicht. Man könnte dieses Verschwinden ja auch als Liebesgeschichte aus unserer Zeit lesen – erst liebt er einen Menschen, was nicht so gut funktioniert; dann verliebt er sich in einen Roboter und verschwindet schließlich in einem. Früher kamen uns die Roboter als Blechmenschen entgegen, dann legten sie sich um unsere Körper, als Smartphone und Smartwatch, die sogar unseren Blutdruck misst – und plötzlich müssen wir feststellen, dass unsere smarten vollvernetzten Häuser und Autos und Städte eigentlich auch schon Roboter sind, in denen wir drinsitzen: Die Roboter haben uns geschluckt. Wir sind im Inneren von Robotern. Ist es kulturpessimistisch, das festzustellen? Es kommt ja darauf an, was man mit dieser Situation macht. Wie rettet man Freiheit und Selbstbestimmung, wo alles im Namen von Komfort, Sicherheit und angeblicher ökologischer Effizienz zentralgesteuert wird? Die vier Hauptfiguren des Romans versuchen ganz unterschiedliche Dinge: zu fliehen, sich der Schönheit und Bequemlichkeit der Technologie hinzugeben, sie von außen zu bekämpfen – oder sie von innen heraus und oft gegen ihre Bestimmung für die eigenen Zwecke auszunutzen und umzukrempeln.

Ist Technophoria Science-fiction?
Nein – eher eine Art Anti-Science-fiction. Es gibt ja viele wunderbare Bücher, die „in einer nahen Zukunft“ spielen, die liest man und denkt sich, gut, das ist jetzt ein bisschen überspitzt – und ein paar Jahre später ist es Realität. Ich beschreibe Dinge, die sich teilweise wie Science Fiction lesen – aber all das passiert gerade wirklich. Wir sehen es nur teilweise noch nicht. Sogar den Plan, mit dem Technophoria beginnt, der Versuch, aus dem Mittelmeer einen Kanal in die libysche Wüste zu graben, um dort das größte Binnenmeer der Welt zu schaffen, gab es wirklich: Deutsche Ingenieure arbeiteten von Mitte der sechziger bis in die siebziger Jahre an dem irrsinnigen Plan, diesen Kanal mit 219 atomaren Sprengungen hinzubekommen. Heute wird die Idee einer solchen Flutung wieder diskutiert, nur diesmal ohne Atomsprengköpfe: man hofft, durch die Flutung und die daraus folgende Wolkenbildung Dürren zu verhindern und die Temperaturen über Nordafrika ebenso zu senken wie die steigenden Meeresspiegel. Ein typisches Beispiel für Techno-Euphorie: Die Überzeugung, dass es zu spät ist, um nur ein bisschen weniger Dreck zu machen und zu hoffen, dass dann alles von selbst gut wird; der Glaube, dass man die großen Probleme nur durch große technische Eingriffe lösen kann.

Beide spielen bei Ihnen eine wichtige Rolle: Würden Sie lieber mit einem Affen oder einem Roboter zusammenleben?
Ich war, als Teil der Recherche, viel in Ruanda, Uganda und dem Kongo; dort leben die letzten wilden Gorillas auf den Bergen, in deren Inneren auch die Rohstoffe lagern, ohne die man keine Mobiltelefone und Laptops bauen kann. Unsere Vorgeschichte hockt da sozusagen auf unserer Zukunft. Wenn man mit Gorillaforschern zwischen diesen Tieren sitzt, fühlt es sich nicht so an, als ob man da mit „unseren Vorfahren“ sitzt – eher so wie mit einer zukünftigen friedlichen Zivilisation. So gesehen beides: mit Affen und Robotern leben, aber bitte beide in der nötigen Entfernung.

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