5 Fragen an ... Katie Kitamura

5 Fragen an ... Katie Kitamura

Katie Kitamura, „Trennung“, Ihr neuer Roman, handelt von einer jungen Frau, die nach Griechenland reist, um ihren Mann Christopher zu suchen und ihn endlich um die Scheidung zu bitten. Die beiden leben schon seit längerem getrennt, doch außer ihrem neuen Partner weiß noch niemand etwas davon. Während ihrer Suche begreift sie allmählich, wie wenig sie den Mann, den sie einmal geliebt hat, eigentlich kennt. Als Christopher tot aufgefunden wird, fühlt sie sich ihm jedoch auf einmal wieder viel näher als zu seinen Lebzeiten. Wie lässt sich dieses Paradox erklären?
Einfach gesagt, liegt das in der Natur des Verlangens. Verlangen entsteht immer aus einem Mangel heraus, und der Tod ist eben ein ziemlich einschneidender Mangel. Wovon der Roman aber vor allem auch erzählt, ist, wie die Kluft zwischen der Rolle, die wir spielen, und dem, was wir wirklich sind, nach und nach kollabiert. Vor den Schwiegereltern, die nichts von der Trennung wissen, und in der fremden Umgebung spielt die Erzählerin den Part der liebenden Ehefrau, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht ist. Doch im Laufe der Handlung beginnt sich diese vermeintliche Wirklichkeit zu verschieben, die Rolle nimmt überhand, entwickelt ein Eigenleben.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, die Geschichte in Griechenland spielen zu lassen?
Ich war ein paar Wochen in Gerolimenas, dem Dorf auf der Mani, wo der Roman spielt. In vielerlei Hinsicht ist die Geschichte unmittelbar jener Landschaft entsprungen, die karg und dramatisch ist. Sie fühlte sich beinahe innerlich an, wie die äußere Manifestation eines Gefühlszustandes. Ich war im Meer schwimmen – genau wie die Erzählerin im Buch – und ich erinnere mich, wie ich mich umsah und dachte, dass die Landschaft nur darauf wartete, dass etwas passierte. Ich glaube, der Roman war der Versuch herauszufinden, was passiert – der Versuch, eine Figur und eine Geschichte zu finden, die die Stimmung und die Spannung in dieser Landschaft einfangen.

Das Symbolische der kargen, verbrannten Landschaft, das mysteriöse Verschwinden einer Person und die Sinnlosigkeit einer Suche, die sich im Ungewissen verläuft: der Roman erinnert in mancher Hinsicht an Antonionis „Die mit der Liebe spielen“. War der Film ein Vorbild?
Die Landschaft der Mani hat mich stark an „Die mit der Liebe spielen“ erinnert und mir hat es immer sehr gefallen, wie der Film um das zentrale Geheimnis kreist, sein offenes Ende. Aber noch bevor ich überhaupt mit dem Schreiben anfing, wusste ich, dass die verschwundene Figur ein Mann sein musste, keine Frau. Es gibt eine Menge verschwundener Frauen in Literatur und Film – und die werden, wie man weiß, am Ende häufig tot aufgefunden. Warum ist das so? Und was passiert, wenn man das Geschlecht der verschwundenen Figur austauscht? Wie sieht die Geschichte aus, die daraus folgt?

In einem früheren Interview haben Sie einmal gesagt, dass Sie von Ungeschliffenheit in der Literatur fasziniert sind, dass die Qualität eines literarischen Werkes nicht unbedingt von seiner stilistischen Feinheit abhängt. Welche Rolle spielte dieser Gedanke in der Konzeption Ihres Romans? Könnte man sagen, dass er sich in den mäandernden, oftmals abgehackten und redundanten Gedankengängen der Erzählerin widerspiegelt?
Ich glaube, dass ich den Roman aus einer Haltung der Ungewissheit heraus schreiben wollte. Gewisse Dinge haben sich in meinem eigenen Leben geändert – ich bin älter geworden, habe Kinder bekommen, die Welt hat sich zu einem noch unsichereren Ort entwickelt. Das ist es auch, warum ich in der ersten Person schreiben wollte, und nicht in der dritten – um die vermeintliche Allwissenheit der dritten Person zu umgehen oder ihr zu entkommen. Während die männlichen Charaktere, über die ich zuvor geschrieben habe, unter dem Gewicht ihrer Sicherheit zermalmt werden, spricht und denkt diese Erzählerin ganz aus ihrer Unsicherheit heraus.

Ihr Stil wurde von der Kritik unter anderem als „rasiermesserscharf“, „kühl“, „präzise“, „sparsam“, „hypnotisch“, „hemingwayesk“ gefeiert. Können Sie uns etwas über Ihren Schreibprozess erzählen? Schreiben Sie Ihre Sätze immer wieder um oder kommen sie in einem ersten Entwurf im Großen und Ganzen fertig auf die Seite?
Bei den ersten beiden Romanen habe ich wieder und wieder umgeschrieben – der Stil hat sich durch den Überarbeitungsprozess entwickelt. Bei „Trennung“ hingegen war ich daran interessiert, etwas zu schreiben, das viel formloser war, unordentlicher. Ich musste den Instinkt zügeln, am Text herumzufeilen, musste mich zwingen, es so auf der Seite stehen zu lassen, wie es war.

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