5 Fragen an ... Josef H. Reichholf

5 Fragen an ... Josef H. Reichholf

Lieber Josef H. Reichholf, die Beziehung zwischen Hund und Mensch ist eine ganz besondere. Was zeichnet sie aus – aus persönlicher Sicht und aus der eines Ökologen und Verhaltensbiologen?
Der Hund ist uns näher als jedes andere Tier. Er lebt gleichsam auf der Brücke zwischen der Tier- und Menschenwelt. Im Hund wird klar, dass die scharfe Trennung falsch ist, die in der westlichen Kultur zwischen Mensch und Tier eingeführt worden ist. Hunde können sich, so man sie lässt, einklinken in unsere Gefühlswelten. Sie verstehen unsere Äußerungen, sehr viel auch von der Sprache und von den sozialen Beziehungen der Menschen untereinander. Hunde stehen in einer engen Symbiose zu uns. Über den Hund verstehen wir mehr voneinander. Was ja nicht selten höchst wünschenswert wäre.

Es gibt den alten Mythos vom Menschen, der einst eine wilde Wölfin zähmte und deren Nachkommen über Generationen gezielt zu Hunden züchtete, die er als Wachhunde und bei der Jagd einsetzen konnte. Die Geschichte klingt schön, doch die Datenlage spricht dagegen – wieso hält sich diese Vorstellung trotzdem so hartnäckig?
Diese Vorstellung schmeichelt unserer Eitelkeit, denn dabei sind wir Menschen die aktive Seite. In Wirklichkeit war es wohl anders. Der Wolf kam zu den Menschen und Wölfe domestizierten sich selbst. Die gegenwärtige Wiederkehr der wilden Wölfe nährt erneut die alte Sicht vom bösen Wolf, weil viele Menschen nicht wahrhaben wollen, dass die Hunde nach wie vor weitgehend Wolf geblieben sind.

„Wie der Wolf sich und uns domestizierte“ lautet der Untertitel Ihres Buchs. Weshalb ist die Beziehung zwischen Mensch und Wolf so zentral, wenn wir dessen Evolution in ihrer ganzen Komplexität verstehen wollen?
Auch wir Menschen, unsere gar nicht so fernen Vorfahren, waren einst „wild“. Unsere eigene Domestizierung fing mit dem Sesshaftwerden an. Und wie beim zum Hund gewordenen Wolf schrumpfte bei den sesshaft gewordenen Menschen das Gehirn deutlich. Das Soziale gewann allmählich die Kontrolle über den reinen, die unmittelbaren Vorteile und das Überleben fördernden Egoismus. Mit dem Hund kam eine erweiterte Partnerschaft ins Leben der Menschen, eine Symbiose. Sie war bereits erfolgreich als die Menschen anfingen, Wildrinder, Wildschafe, Wildziegen und Wildschweine zu domestizieren. Die Hunde halfen dabei.

Woher stammt Ihr persönliches Interesse, sich nach der „Rabenschwarzen Intelligenz“, den „Schmetterlingen“ und dem „Leben der Eichhörnchen“ nun gerade diesem Tier zu widmen?
Mit Hunden wurde ich in meiner Kindheit und Jugendzeit ein wenig vertraut. Die familiären und beruflichen Umstände erlaubten es aber erst in der jüngeren Vergangenheit, dass wir uns einen Hund zulegen und von ganz klein an großziehen konnten. Was wir dabei erlebten, öffnete mir die Augen dafür, was ein Hund eigentlich ist und wie er sich ins Familienleben zu integrieren vermag. Dabei kam zwangsläufig die Frage auf, wie es kommen konnte, dass aus Wölfen Hunde wurden. Neuer Forschungsergebnisse vertieften die Kenntnisse und veränderten die bisherigen Sichtweisen.

Und zuletzt: Was wäre Ihr wichtigster Rat für alle Hundehalter und Hundehalterinnen?
Den Hund als Partner betrachten und nicht „als Tier“ behandeln. Die meisten Hunde verdienen die Chance, richtig sozialisiert zu werden. Sie gewinnen Vertrauen in ihre Menschen und das macht sie für andere vertrauenswürdig.

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