5 Fragen an ... Franzobel

5 Fragen an ... Franzobel

Wie sind Sie auf den Stoff gekommen?
Durch Zufall, ein befreundeter Theaterintendant (Alexander Kubelka) hat mir beiläufig davon erzählt. Für mich war es wie ein Blitzschlag, Liebe auf den ersten Blick. Ein Geschenk! So oft bekommt man als Schriftsteller nicht solch wuchtige Stoffe, über die noch kaum jemand geschrieben hat. Ich dachte sofort: Das ist es, so eine Geschichte bekommst du vielleicht nie wieder im Leben. Das ist ein Stoff für Hollywood, aber da ich nicht Paramount oder Warner Bros. bin, kann ich das nur mit meinen Mitteln erzählen, denen des Romans.

Aus welcher Perspektive wird erzählt?
Es gibt einen Erzähler, der die Geschichte zwar nicht ostentativ, aber doch spürbar aus der Gegenwart des 21. Jahrhunderts erzählt. Alles andere wäre mir unglaubwürdig erschienen. Es gibt allerdings auch Innenperspektiven oder innere Monologe der handelnden Figuren. Da ich die Geschichte spannend und objektiv erzählen wollte, hat sich das als glückliche Mischung erwiesen.

Wie sind Sie mit der sogenannten historischen Authentizität und den aktuellen Bezügen umgegangen?
Ich habe versucht, so wahrhaftig wie möglich zu sein, möglichst nahe an die historische Wahrheit heranzukommen. Aktuelle Bezüge zu den Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer sind spürbar, haben aber in der Geschichte selbst keinen Platz.

Wie verlief die Recherche?
Zuerst einmal wollte ich die Zeit und das Leben auf einem Segelschiff zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstehen. Also habe ich alle verfügbare Literatur gelesen, soziologische Untersuchungen, historische Handbücher der Seemannschaft, Abenteuerromane, Forscherberichte et cetera. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, habe ich mir auch viele Seefahrerfilme angesehen und selbst ein paar Schiffsreisen unternommen. Dann habe ich mich mit Extremzuständen beschäftigt, Berichte darüber gelesen, selbst zwei Wochen lang gefastet. Außerdem war ich noch in Rochefort, wo die Flotte um die Medusa gestartet ist, sowie im Senegal, nahe der Stelle, wo das Schiff auf Grund gelaufen ist. Ich habe also alles unternommen, um den historischen Ereignissen nahe zu kommen. Im Nachhinein bin ich froh, mich mehrmals überwunden zu haben.

Welche Erfahrungen haben Sie auf Ihren Reisen nach Rochefort in Frankreich und nach Westafrika gemacht und wie präsent ist dort die Katastrophe der Medusa?
Weder in Frankreich noch im Senegal ist die Geschichte um das Floß der Medusa bekannt. Die meisten haben noch nie davon gehört. Für mich waren die Eindrücke an Ort und Stelle sehr inspirierend und wohl auch notwendig, um dem Roman etwas Patina zu geben. Ähnlich war es mit dem Hungern. Man kann Dinge zwar von der Theorie her verstehen, wenn man ihnen dann aber ausgeliefert ist, ist es doch etwas anderes.

Die Fragen stellte © Herbert Ohrlinger.

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