5 Fragen an ... Elisabeth Edl und Gustave Flaubert

5 Fragen an ... Elisabeth Edl und Gustave Flaubert

Lieber Gustave Flaubert, wie muss man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen, Monsieur Flaubert?
Jeden Tag schwimme ich in den Wogen der Seine wie ein junger Mann. Das ist meine einzige Zerstreuung. Die übrige Zeit arbeite ich wie ein Rrrasender, und ich brülle in der Stille meines Arbeitskabinetts, dass ich mir die Brust verrenke (was ihr guttut). Jede Nacht, oder vielmehr jeden Morgen, sehe ich den Tag anbrechen. Mit einem Wort, ich habe den Teufel im Leib!

Um Himmels Willen, wie halten Sie das aus?
Ich brülle immer weiter wie ein Gorilla in der Stille meines Arbeitskabinetts, und heute spüre ich sogar im Rücken oder vielmehr in der Lunge einen Schmerz, der keine andere Ursache hat. Irgendwann zerplatze ich wie eine Granate. – Man wird meine Fetzen auf dem Tisch finden.

Sprechen wir lieber von etwas anderem… Man hat Ihnen den Vorwurf gemacht, mit Ihren Werken „Trostlosigkeit“ zu schaffen, und außerdem hätten Sie keine Überzeugungen …
Ich schaffe nicht aus purem Vergnügen „Trostlosigkeit“! Das können Sie mir glauben! aber ich kann meine Augen nicht austauschen! Was den „Mangel an Überzeugung“ betrifft, herrje! Die Überzeugungen ersticken mich. Ich platze vor unterdrückter Wut und Empörung. Aber in dem Idealbild, das ich von der Kunst habe, darf man, so glaube ich, nichts zeigen von seinen eigenen Überzeugungen, und der Künstler darf in seinem Werk nicht stärker in Erscheinung treten als Gott in der Natur. Der Mensch ist nichts, das Werk ist alles!

Sie gelten als unmoralischer Autor. Madame Bovary brachte Sie vor den Kadi!
Ich schreibe jetzt eine kleine Albernheit, deren Lektüre die Mutter ihrer Tochter erlauben kann.

So albern finde ich das gar nicht, aber freuen Sie sich, dass sie nun auch auf Deutsch erscheint?
… damit ich etwas Geld bekomme (ob sie mehr oder weniger gut übersetzt ist, schert mich nicht).

Bei aller Verehrung, Monsieur, danach werde ich mich nicht richten!

Die Fragen stellte die Übersetzerin Elisabeth Edl; die Antworten von Gustave Flaubert finden sich in ihrer Neuübersetzung auf den Seiten 243, 244, 183, 186 und 254.

 

Elisabeth Edl, kennen Sie Monsieur Flaubert?
Ja, sogar ziemlich gut. Immerhin beschäftige ich mich nun schon seit gut zehn Jahren intensiv mit diesem Herrn, der sich zuweilen auch Cruchard nennt. Und seit ich seine Madame Bovary übersetzt habe, kenne ich ihn besser, als mir manchmal lieb ist.

Wenn man sich seit zehn Jahren miteinander beschäftigt, hatten Sie dann nicht auch Mal die Nase voll?
Also darauf würde Ihnen besagter Herr wahrscheinlich antworten: „Aber wenn es keine Schwierigkeiten gäbe, wo wäre dann das Vergnügen?“ Und da kann ich ihm nur zustimmen! Und Sie können mir glauben, wenn ich für einen Satz zwei Tage brauche und er am Ende wirklich gut geworden ist, dann bin ich weiß Gott auf meine Rechnung gekommen!

Welches ist Ihre Lieblingsgeschichte?
Eigentlich keine oder alle drei, denn der Titel Drei Geschichten ist ja eher ein Trick. Flaubert hat diese drei Geschichten als Einheit komponiert, als ein Buch, sie in einer bestimmten Weise angeordnet, und ich finde, sie wirken erst richtig durch das Licht, das sie aufeinander werfen. Wenn ich aber an die Hauptfiguren denke, dann ist mir eindeutig Félicité am stärksten ans Herz gewachsen. Weil ich immer daran denken muss, dass der alte Stänkerer Flaubert diese anrührende Frau für George Sand geschaffen hat.

Welche hat Ihnen die meisten Probleme gemacht?
Herodias, glaube ich. Aber das ist kein Wunder, auch Flaubert hat diese Geschichte am meisten zu schaffen gemacht. All die historischen Details, Anspielungen und Querelen, die er da hineingepackt hat, schier unvorstellbar! Und die muss man beim Übersetzen natürlich aufdröseln. Flauberts größte Sorge war hingegen, „soweit wie möglich auf notwendige Erklärungen zu verzichten“!

Jetzt sagen Sie uns bitte noch, was es mit dem berühmten Papagei auf sich hat!
Flaubert hat selbst erklärt, was die Geschichte von Félicité ist: „Sie liebt nacheinander einen Mann, die Kinder ihrer Herrin, einen Neffen, einen Greis, den sie pflegt, dann ihren Papagei, – und nachdem der Papagei gestorben ist, lässt sie ihn ausstopfen, – und als sie selbst im Sterben liegt, verwechselt sie den Papagei mit dem Heiligen Geist.“ Und damit er diese Geschichte schreiben konnte, holte er aus dem Naturkundemuseum einen ausgestopften Papagei und stellte ihn sich auf den Tisch, „um nach der Natur zu ‚malen‘“ und seine „Seele ganz mit Papagei auszufüllen“. Irgendwann ist er ihm dann lästig geworden, und er hat ihn angeblich wieder zurückgegeben. Allerdings mit dem Resultat, dass heute zwei ausgestopfte Papageien um die Ehre konkurrieren, „Flauberts Papagei“ zu sein: einer im kleinen Flaubert-Museum in Croisset und einer im Hôtel-Dieu, dem Krankenhaus in Rouen, dessen Leiter Flauberts Vater und später dann sein Bruder Achille waren. So jedenfalls erzählt es Julian Barnes in seinem berühmten Buch. Doch wie auch immer, der echte, der unsterbliche Papagei kreischt nur in Flauberts Drei Geschichten.

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