5 Fragen an ... Elias Hirschl

5 Fragen an ... Elias Hirschl

Herr Hirschl, was fasziniert Sie an der Generation Slim Fit, die Sie in Ihrem Roman Salonfähig porträtieren?
Die Generation der Slim-Fit-Politiker drückt für mich eine Art Zuspitzung und Perfektionierung der politischen Rhetorik aus. Ich stell mir das gern wie beim Skispringen vor, wo zu Beginn noch verschiedenste Sprungtechniken ausprobiert worden sind, da wurde mit den Armen gerudert, angelegt, abgespreizt, bis sich schließlich eine einzige Sprungtechnik durchgesetzt hat, die dann nur noch verfeinert und perfektioniert wurde. Wie beim Skispringen werden die politischen Protagonisten immer jünger, ihre Kampfanzüge werden immer aerodynamischer und ihre Ausdrucksweise verengt sich auf einen sehr spezifischen, schmalen Rhetorikstil der völlig entleerten Phrasendrescherei, durch den jedes echte Gespräch schon im Ansatz verhindert wird. Und die Tatsache, dass letztendlich keine politisch interessierten Menschen an der Spitze landen, sondern nur noch diejenigen, die diesen spezifischen Stil der leeren Rede am besten beherrschen, die keine einzige interessante Idee hervorbringen, aber die Kunst der Bewegung perfektioniert haben, fasziniert mich und macht mir auch ziemliche Angst. Da fehlen im Grunde nur noch die Sponsorenlogos auf der Krawatte.

Was fasziniert Sie an Ihrem Erzähler, ein Erzähler, der im Laufe des Romans immer unzuverlässiger wird?
Mich haben unzuverlässige Erzähler schon immer begeistert, weil sie ein großartiges Mittel zur Erwartungsuntergrabung darstellen. Das besondere bei Salonfähig ist, dass man, wie bei einem Politiker, den namenlosen Erzähler nie wirklich zu Gesicht bekommt, sondern nur die Fassade, die er selbst nach außen hin projiziert. Er arbeitet in einer politischen Jugendorganisation und träumt davon, exakt so wie sein großes Idol Julius Varga zu sein. Man erfährt ausschließlich Dinge, die einen der Erzähler auch tatsächlich wissen lassen will, wie ein Pressesprecher, der nur spezifische, von allen Ebenen abgesegnete Informationen an die Öffentlichkeit durchdringen lässt. Die reale Person blitzt lediglich – wie durch ein Schlüsselloch – gelegentlich durch, wenn man die widersprüchlichen Reaktionen seiner Mitmenschen bemerkt. Es ist ein Erzähler, der tausend Standpunkte einnehmen und tausend Positionen verteidigen kann, ohne auch nur eine einzige aufrichtige Meinung zu haben. Am Ende weiß man genauso wenig über die echte Person hinter der Fassade wie am Anfang.

Was fasziniert Sie an Bret Easton Ellis oder Chuck Palahniuk?
Ellis und Palahniuk waren große Einflüsse beim Schreiben. Beide arbeiten mit brutalen, plakativen Bildern und zynischen, gefühllosen Figuren und lösen auf ihre eigene Art eine extreme Sogwirkung beim Lesen aus. Bei Ellis werden da vor allem kommentarlos und wertungsfrei abartigste Gewalt- und Sexfantasien neben einer endlosen Liste an Luxusmarken und komplett neutralen popkulturellen Abhandlungen präsentiert. Auf eine der grausamsten Szenen, die ich je gelesen habe, folgt nahtlos ein zwanzigseitiger Abriss über Phil Collins Solokarriere im Vergleich zu seiner früheren Arbeit bei Genesis. Vor allem diese distanzierte, niemals satirisch gebrochene Erzählhaltung macht die ganzen Nebensächlichkeiten, denen Ellis den gleichen Raum und das gleiche Gewicht einräumt wie dem echten menschlichen Leid, so unerträglich. Vor allem, weil es mich an reale politische Vorgänge erinnert, wo über Themen wie ertrinkende, erfrierende, in den Tod geschickte Menschen auf eine derart distanzierte und bürokratische Art geredet wird, als würde es um Steuererklärungen gehen.
Von Chuck Palahniuk habe ich mir vor allem zwei Kniffe abgeschaut. Erstens lässt Palahniuk, nach eigener Aussage, seine Protagonisten stets von Höhepunkt zu Höhepunkt springen, ohne die Wege dazwischen zu thematisieren. Dadurch wird man beim Lesen unvermittelt direkt in die Szene hineingeworfen, was einen einerseits etwas desorientiert, andererseits aber auch sofort in die Action wirft. Der andere Trick ist das Arbeiten mit einfachen, sich wiederholenden Slogans, die einem immer wieder Teile der Handlung ins Gedächtnis rufen und je nach Kontext eine andere Bedeutung haben können.

Was fasziniert Sie an Maskulinität?
Im Buch wird toxische Männlichkeit auf verschiedene Arten geschildert. Vor allem die hierarchischen Strukturen in der Jungen Mitte und der Mutterpartei Mitte Österreichs sind stark patriarchal geprägt. Mich fasziniert hier vor allem dieses intrinsische Leistungsdenken, das jeden Aspekt der neoliberalen Politik durchzieht. Der Mensch ist nur dann etwas wert, wenn er etwas aus eigenem Antrieb schaffen kann. Jeder Mensch definiert sich nur durch die ihm zugewiesene Rolle, jeder bemisst seinen eigenen Selbstwert an dem, was er leistet. Dadurch entfremden sich alle Figuren voneinander, weil es nicht mehr um den Menschen geht, sondern nur noch darum, was man von einem Menschen bekommen kann, welche Positionen, Kontakte oder finanziellen Mittel man von jemandem bekommen kann. Damit einher geht auch die falsche Prämisse, alle Menschen hätten dieselben Startbedingungen und seien für ihr Schicksal selbst verantwortlich, wodurch sich als Machthaber angenehm jede Verantwortung von sich weisen lässt.
Mich fasziniert vor allem auch, wie dieser Leistungswahn, der ja dem angeblichen christlich-sozialen Leitgedanken der Partei völlig zuwiderläuft, schließlich in einer Art parareligiösen, rituellen Verehrung dieses ominösen Konstrukts der „Leistung“ mündet, als wäre sie eine Art Gottheit, zu deren Zweck alles geschieht.

Was fasziniert Sie an Satire?
Satire widersetzt sich der Forderung, eine Aufgabe erfüllen zu müssen, denn Kunst und Satire sind ja, wie wir dank Corona wissen, nicht systemrelevant. Aber das Gute daran, nicht systemrelevant zu sein, ist, dass man auch nicht an spezifische Erwartungen gebunden ist. Satire kann daher alles Mögliche tun. Und was Satire hervorragend tun kann, ist, versteckte Strukturen, vor allem Machtstrukturen sichtbar zu machen, und diese auf eine Art zu entlarven, dass sie etwas von ihrem Schrecken einbüßen, dass man zumindest darüber lachen kann.
Salonfähig ist auch der Versuch zu zeigen, was vom politischen Menschen übrig bleibt, wenn man den Menschen herausschält und nichts als die rhetorische Struktur zurückbleibt, und was vom Leistungsdenken zurückbleibt, wenn man diese Idee auf die Spitze treibt und den Wert eines Menschen tatsächlich nur noch an seiner Produktivität bemisst. In beiden Fällen bleibt letzten Endes nichts zurück als eine reine Projektionsfläche, losgelöst von jeder Emotion und jeder Menschlichkeit, unfähig zu Mitgefühl, Interesse oder echter Anteilnahme.

Interview: Bettina Wörgötter

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