5 Fragen an ... Dominik Barta

5 Fragen an ... Dominik Barta

Lieber Dominik Barta, Ihr neuer Roman Tür an Tür spielt im Gegensatz zu Ihrem letzten Buch Vom Land in der Großstadt. Was ist Ihnen näher?
Am Land schätze ich in erster Linie die Natur, weniger die soziale Lebensform der Dorfgemeinschaft. In sozialer Hinsicht ist mir die Großstadt näher. Die Vorstellung, irgendwo an einem Hang oder in einem Tal zu wohnen, ist für mich ein Albtraum. Ich fühle mich im Mehrparteienhaus wohler. Auch in stofflicher Hinsicht ist die Stadt ergiebiger. Wem die Literatur des Schwammerlpflückens nicht geheuer ist, der ist in der Stadt besser aufgehoben. Im Phaidros antwortet Sokrates auf die Frage, warum er die Stadt so selten verlasse: „Felder und Bäume wollen mich nichts lehren, wohl aber die Menschen in der Stadt.“

Was ist das besondere an der Beziehung, die wir zu unseren Nachbarn haben bzw. haben können?
Der ideale Nachbar befindet sich in einer mittleren Distanz zu uns. Er ist nah genug, um Anspruch zu ermöglichen. Aber fern genug, um einem nicht zu nahe zu treten. Er sorgt für Nähe, ohne aufdringlich zu sein. Damit ist er das Paradebeispiel einer gesellschaftlichen Existenz, die sich von idealistischen Träumen emanzipiert hat. Schillers Zeile „Alle Menschen werden Brüder“ ist unrealistische Romantik. „Alle Menschen werden Nachbarn“ wäre ein treffenderes Bild.

Einsamkeit ist ein wichtiges Thema, nicht erst seit wir mit einer Pandemie zu kämpfen haben. Warum ist es so schwer, darüber zu sprechen?
Weil das körperliche Gefühl der Einsamkeit unsere stolzen Vorstellungen einer selbstständigen, emanzipierten und freien Existenz durchkreuzt. Wir haben uns mühsam, und völlig zurecht, von den Zudringlichkeiten der Familie, der Tradition und der Kultur befreit. Doch um den Preis potentieller Einsamkeit. Es fällt uns schwer, das zuzugeben.

Als sein Schüler Ferhat verletzt bei Kurt, dem Protagonisten von Tür an Tür, auftaucht, dringen Weltpolitik und –geschehen ganz unmittelbar in Kurts Welt ein. Erst dann?
Natürlich nicht! Die Welt, wie sie heute ist, lässt kein abgenabeltes, privatisiertes Dasein zu. Von der Nahrung, die wir zu uns nehmen, über die Energie, die wir verheizen, bis zur Information, mit der wir unsere Realität basteln — wir sind durch und durch eingelassen in eine Welt, die gleich neben uns beginnt. Wir sind tatsächlich miteinander verbunden, ob uns das passt oder nicht. In Margareten haben Künstler:innen den an Martin Luther King angelehnten Slogan „You are not free until all of us are free“ auf die Hausmauer gemalt. Das scheint mir keine Romantik, sondern eine Tatsache.

Mit Ihrem Debütroman Vom Land haben Sie viele Menschen erreicht, es gab viele Reaktionen. Mit welchen Erwartungen sehen Sie dem Erscheinen ihres zweiten Romans entgegen?
Mit gar keinen Erwartungen. Ich konnte nicht anders, als eben diesen Roman, in dieser Form zu schreiben. Ich erwarte nicht, aber ich hoffe von Herzen, dass er den Menschen gefällt.

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