5 Fragen an ... Dominik Barta

5 Fragen an ... Dominik Barta

Leben Sie auf dem Land, Herr Barta?
Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr ausschließlich auf dem Land gelebt. Meine Jugend- und Studentenjahre verbrachte ich in Linz und Wien und vielen anderen Städten. Positiv formuliert könnte ich sagen, ich fühle mich sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zu Hause. Vielleicht bin ich aber auch aus der Selbstverständlichkeit beider Sphären herausgefallen und kann heute weder in der Stadt noch auf dem Land leben, ohne etwas zu vermissen. Meine Wohnung befindet sich seit vielen Jahren in der Stadt, in Wien, weil ich in der Stadt arbeite und meine engsten Freundinnen und Freunde alle in der Stadt wohnen. Letztlich ist das, denke ich, der ausschlaggebende Grund. Ich möchte in der Nähe jener Menschen wohnen, die ich liebe, sei es nun auf dem Land oder in der Stadt.

Vom Land ist Ihr erster Roman. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Ich schreibe, seit ich ein Kind bin oder zumindest ein Schüler. Ich erinnere mich, dass ich als Zwölfjähriger im Kalender die Ereignisse der Woche notierte und mir jeder Kalendereintrag unter der Hand zu einer Geschichte wurde. So belanglos konnte das Erlebte gar nicht sein, dass ich daraus nicht eine betuliche kleine Anekdote geformt hätte. Später habe ich zwei, drei Hefte mit Rohbauten von Geschichten vollgeschrieben: Der Beginn immer unerhört, wenige Seiten später verlief alles im Sand. Während der Oberstufe liebte ich es, neunmalkluge Erörterungen zu schreiben, idealerweise über ein Zitat eines Philosophen. Vielleicht ist die Frage, wie man zum Schreiben kam, die Frage danach, wann man begonnen hat, das eigene Schreiben ernst zu nehmen. Ich habe spätestens mit 18 oder 19 gefühlt, dass ich das Schreiben brauche, um mir verschiedenster Dinge klar zu werden, um mich zu beruhigen oder um mich in irgendeinen Traum hineinzusteigern.

Ihr Roman reiht sich ein in eine große Tradition österreichischer Literatur von Thomas Bernhard über Peter Handke bis Franz Innerhofer. Wie würden Sie Ihr Schreiben verorten? Gibt es Vorbilder?
Natürlich, ich versuche mir immer Vorbilder zu halten und ich finde, es gehört zu den schönsten Zufällen des Lebens, wenn man ein neues Idol für sich entdeckt. Thomas Bernhard war ein wichtiger Bezugspunkt während meiner Pubertät. Die Auslöschung war das erste Buch, bei dem ich das Gefühl hatte, es bringe etwas über mein Leben zum Ausdruck. In dem Maße, in dem der Furor der Pubertät verblasste, in dem Maße ist Thomas Bernhard für mich in den Hintergrund gerückt und andere Autoren wurden wichtig, zumeist Autoren eines imaginären Südens, wo der menschliche Makel vom Licht der Sonne verbrämt wird. Eines meiner wichtigsten Idole ist Pier Paolo Pasolini. An ihm fasziniert mich alles. Spezifischer bezogen auf die Technik des Schreibens bewundere ich Mario Vargas Llosa und Javier Marías, aber auch Ivo Andric, Boleslaw Prus, Rudyard Kipling, Stendhal und Italo Calvino.

Ein großes Thema Ihres Romans ist die Sprachlosigkeit. Theresa hat das Gefühl, sich nicht ausdrücken zu können. Die Kinder gehen unterschiedliche Wege und können nicht miteinander reden. Vom Land ist aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Überwinden wir die Sprachlosigkeit durch Empathie?
Das ist eine schöne Frage und ich kann darüber lange nachdenken. Sich in den anderen einzufühlen ist eine menschliche Fähigkeit, die soziales Dasein überhaupt erst ermöglicht. Wir können als Individuen so dicht nebeneinander existieren, weil wir auf einer ganz primitiven Ebene durchaus wissen oder fühlen können, wie es dem anderen geht. Dennoch haben wir uns als Menschen die Sprache erfunden, um dieses primitive Wissen voneinander einer immer feineren Nuancierung zu unterziehen. In diesem Sinne möchte ich sagen: Nein, man überwindet Sprachlosigkeit nicht durch Empathie, denn dies hieße im Groben stecken zu bleiben und jemanden nicht in den Genuss der Nuancierung kommen zu lassen. Die richtigen Worte aufeinander treffen zu lassen ist die adäquateste Form der Feinfühligkeit unter uns Menschen. Jemandem endlich das Wort zu erteilen, auf jemandes Rede gegebenenfalls zu warten, jemandem erlauben, sein Innerstes auszubuchstabieren – genau darin besteht eine Empathie, die sich Zeit nimmt und zivilisiert geworden ist.

Die Eliten, Bobos, Manager und Politiker auf der einen, die Abgehängten, die Provinzkaiser, die Gelbwesten auf der anderen Seite. Leben wir in einer Zeit der unüberbrückbaren Gegensätze?
Nein, und ein Hauptproblem aller politischen Zeiten ist es gerade, Konflikte so aussehen zu lassen, als wären sie unüberbrückbar oder unlösbar. Aber das stimmt nicht. Prinzipiell beruht jeder politische Konflikt auf Kategorien, die man sehr wohl auch anders fassen könnte. Denn im Gegensatz zu unseren physikalischen Bedingungen, der Schwerkraft oder der chemischen Zusammensetzung der Welt, werden die politischen Bedingungen tatsächlich von uns gemacht und von niemandem sonst. Dass der Reiche reich ist und der Arme arm, dass eine Staatsgrenze von Westen nach Osten, anstatt von Süden nach Norden, dass ein Gott am Kreuz hängt oder in den Krieg zieht – all diese Dinge entspringen menschlichen Ideen, und Ideen besitzen bloß ideologische Realität, sie könnten von neuen Ideen ersetzt werden, sofern wir nicht denkfaul oder allzu betrunken sind. Das Problem ist, dass es immer Menschen gibt, die sich vom Gegensatz und Konflikt ernähren, wie Brechts Marketenderin vom Krieg.

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