5 Fragen an ... Arno Geiger

5 Fragen an ... Arno Geiger

Herr Geiger, woher haben Sie den Stoff für ihren neuen Roman Unter der Drachenwand?
Ein Fundstück. Die Korrespondenz des Lagers Schwarzindien am Mondsee, Kinderlandverschickung, Kinderbriefe, Elternbriefe, Behördenbriefe. Das hat alles in Gang gesetzt. Die Qualität eines Stoffes bemisst sich daran, wie sehr er etwas in Gang setzt, emotional, gedanklich, in der Vorstellungskraft.

Ihr Roman beschäftigt sich mit Individuen zu einer Zeit, die dem Individuellen wenig Platz gelassen hat. Als wie groß empfinden Sie den Kontrast zu heute?
Auf den ersten Blick ist er riesig, wir sind nicht so offensichtlich von den äußeren Umständen bestimmt, befinden uns nicht so unmittelbar in Gefahr. Aber auch heute schwimmen wir mehr oder minder mit dem Strom, und in Wahrheit gilt für uns nicht weniger als für Veit Kolbe und die andern: Was man im Leben versäumt, ist das Leben.

Und der Krieg macht das besonders deutlich sichtbar.
Ja. Wir sind in etwas hineingeworfen, ohne gefragt worden zu sein. Wo ist die Freiheit? Wie entfaltet sich das Private? Wie gehe ich mit äußeren Zwängen um? – Davon erzählt der Roman.

Unter der Drachenwand ist ein ungemein privates Buch, kein Buch über den Krieg im herkömmlichen Sinn.
Mich interessiert das Individuum in seiner Einzigartigkeit, mit seiner eigenen Geschichte, seinen eigenen Gefühlen. Ein Roman soll erzählen, was nur ein Roman erzählen kann, was nur ein Roman nachvollziehbar machen kann. Also hier: Wie fühlt es sich an, im fünften, sechsten Kriegsjahr zu leben? Wie lebt es sich Unter der Drachenwand?

Sie kommen Ihren Figuren unglaublich nahe. Der Roman ist sehr unmittelbar erzählt. Wie gehen Sie an eine solche Arbeit heran?
Es war ein jahrelanger Prozess der Annäherung, das Lager Schwarzindien kommt ja schon in Es geht uns gut vor. Ausdauer ist ein Faktor. Entscheidend ist aber vermutlich das, was ich Hingabe nennen würde, ganz im Sinne von Leo Tolstoi: Ohne Liebe kein Talent. – Für mich trifft das auf alle Fälle zu. Aus der Geringschätzung entsteht nichts Lohnenswertes. Ich erfahre von meinen Figuren nur das Intimste, wenn ich mit ihnen einverstanden bin, auch mit ihren Schwächen.

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