5 Fragen an ...Anne Cathrine Bomann

5 Fragen an ...Anne Cathrine Bomann

Liebe Anne Cathrine Bomann, in Ihrem Roman geht es um ein Medikament gegen pathologische Trauer, die sogenannte langanhaltende Trauerstörung. Warum kann ein klassisches Antidepressivum hier nicht helfen?
Nun, das hat man schon versucht, aber soweit ich weiß, wirken Antidepressiva bei pathologischer Trauer nicht so gezielt wie bei Depressionen. Also habe ich für den Roman das Medikament Callocain erfunden, etwas, das gegen den krankmachenden Trauerschmerz helfen soll. Ich bin davon überzeugt, dass es irgendwo auf dieser Welt gerade jemanden gibt, der an einer solchen Arznei forscht. Grundsätzlich ist es aber auch wichtig zu erwähnen, dass Trauer und Depression nicht dasselbe sind, auch wenn sie bestimmte Merkmale teilen. Im Kern der Trauer steht beispielsweise eine tiefe Sehnsucht nach dem Verlorenen, die nicht Teil einer klassischen Depression ist.

Sie arbeiten als Psychologin. Würden Sie Ihren Patient:innen ein solches Medikament empfehlen?
Definitiv nicht das Medikament Callocain, das ich in Blautöne erfunden habe. Die Nebenwirkungen sind zu drastisch. Aber die Frage, ob man eine langanhaltende Trauerstörung medikamentös behandeln sollte oder nicht, ist nicht leicht zu beantworten. Trauer an sich ist keine Krankheit und sollte auch nicht als solche behandelt werden. Aber könnte für die wenigen Ausnahmefälle (zw. 10-15 Prozent), die eine so lang andauernde Trauer entwickeln, die als pathologisch empfunden wird, ein besseres Medikament als mein erfundenes sinnvoll sein? Sollten wir überhaupt in den Trauerprozess eingreifen, egal wie zerstörerisch er sich anfühlen mag? Fragen wie diese haben mich zum Schreiben dieser Geschichte inspiriert – auch, dass es eben keine eindeutigen Antworten gibt.

Ist Schmerz ein notwendiger Teil des Lebens?
Ja, ich glaube, das ist er. Wenn wir lange genug leben, und wenn wir das Glück haben, zu lieben und geliebt zu werden, werden wir schwierige Verluste und Kummer erleben. Und auch im Kleinen wird nicht alles immer gut für uns ausgehen, wir werden etwas anstreben und scheitern, wir werden uns verlieben und verletzt werden – so ist das Leben. Und auch wenn ich nie behaupten würde, dass jeder Schmerz gut für uns ist, so ist doch an dem alten Sprichwort etwas Wahres dran, dass Trauer der Preis ist, den wir für die Liebe zahlen. Vielleicht sogar ein lohnender Preis. Wir trauern, weil wir geliebt haben, und die meisten von uns tragen den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen für den Rest ihres Lebens mit sich herum – aber hoffentlich auf eine Art, die weniger intensiv und verzehrend ist, als es in den ersten Monaten oder sogar Jahren nach dem Tod eines geliebten Menschen der Fall sein kann.

Wie wichtig ist Empathie für unsere soziale Gesundheit?
Von Geburt an ist Empathie das, was uns am Leben erhält. Als kleine Kinder sind wir völlig abhängig von Bezugspersonen, die unsere Bedürfnisse verstehen, die uns füttern, wenn wir hungrig und uns trösten, wenn wir traurig sind. Wir formen unser Selbst durch die Interaktion mit anderen und bleiben mit den Menschen in unserem Leben zum Teil über unsere Fähigkeit zur Empathie in Verbindung. Kurz gesagt, Empathie ist ein wesentlicher Teil dessen, was uns zu Menschen macht. Und wenn Sie mich fragen, auch ein wichtiger Teil dessen, was das Leben lebenswert macht.

Im Hinblick auf die aktuelle Weltlage: Wie können die Menschen in diesen Zeiten Trost und Hoffnung finden?
Oh, das ist eine große Frage! Mit dem Krieg in Europa, den andauernden Folgen der Pandemie, der Klimakrise und vielem mehr scheint es, als wären wir in diesen Tagen mit einer Menge Problemen konfrontiert. Und manchmal fühlen wir uns hoffnungslos und überfordert. Wenn wir nicht aufpassen, kann das zu Apathie führen. Ein mögliches Gegenmittel könnte Engagement sein, in dem Maße aktiv zu werden, wie es jedem von uns möglich erscheint. Und ein weiteres Mittel, das in meinen Büchern vorkommt, besteht darin, Hoffnung und Sinn in unseren engen Beziehungen zu suchen und unser Bestes zu tun, das Leben anderer positiv zu beeinflussen.

Die Fragen stellte Kristin Rosenhahn.

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