5 Fragen an ... Peter Henisch

5 Fragen an ... Peter Henisch

In Siebeneinhalb Leben tritt eine Figur aus einem anderen Roman von Ihnen auf – oder jemand, der sich dafür hält. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Weil ich mir das vorstellen konnte: dass so eine Figur aus einem früheren Roman auf einmal auftaucht im Leben eines Autors. Auch wenn derjenige, der sich im Roman Siebeneinhalb Leben neben den Ich-Erzähler setzt, auf eine Bank im Türkenschanzpark, auf der dieser arme Autor nur an seiner Autobiografie weiterschreiben will, vielleicht bloß ein Spinner ist oder – das wäre bedenklicher – ein Psychopath. Er heißt Stein wie der Protagonist eines Buchs, das dieser Autor vor Jahrzehnten geschrieben hat. Er ist überzeugt, dass dieses Buch ein Buch über ihn war.

Der Roman Steins Paranoia wird in Siebeneinhalb Leben nicht nur zitiert, sondern sogar korrigiert, nach den Vorstellungen dieses Max Stein, der sich für den Protagonisten hält. Schreiben Sie an Ihren Büchern weiter, nachdem sie abgeschlossen sind?
Ich halte meine Bücher nie für abgeschlossen, ich habe noch keines meiner Bücher ad acta gelegt. Von Romanen wie Die kleine Figur meines Vaters, Morrisons Versteck und Pepi Prohaska Prophet gibt es jeweils zwei Fassungen – nicht, weil mich die ersten Fassungen nicht überzeugt hätten, sondern weil die Stoffe für mich lebendig bleiben. Im Fall des neuen Romans nehme ich aber halb spielerisch, halb in tiefem Ernst auf ein vor dreißig Jahren erschienenes Buch von mir Bezug. Der Mann, der den Ich-Erzähler am Weiterschreiben seiner Autobiografie hindert, dieser lästige Mensch, ist ja auch so etwas wie das politische Gewissen des Autors, der dessen Abtauchen ins allzu Private verhindern will. Da soll Steins Paranoia, damals, 1988, von einem klugen Kritiker als das Buch zum Fall Waldheim bezeichnet, nicht nur korrigiert, sondern auch fortgesetzt werden. In einer Gegenwart, in der vieles, das damals als Hirngespinst eines paranoiden Menschen abgetan werden konnte, zur Normalität geworden ist.

In Siebeneinhalb Leben ist ein Autor namens Paul Spielmann der Verfasser von Steins Paranoia. In welcher Beziehung steht Peter Henisch zu Paul Spielmann?
Der Name des Ich-Erzählers ist natürlich auch Teil des literarischen Spiels. Wie sich manche Leserinnen und Leser vielleicht erinnern werden, taucht der ja bereits als Protagonist meines Romans Eine sehr kleine Frau auf. Spielmann ist so etwas wie ein literarischer Stuntman, den ich in Situationen bringen kann, die denen meines Lebens ähneln, aber manchmal auch von ihnen abweichen. Was ihm im aktuellen Roman widerfährt, will ich vorweg nicht verraten, aber ich bin froh, dass es nicht mir, sondern nur ihm passiert ist, und dass ich daher mit einem gewissen sarkastischen Vergnügen darüber schreiben konnte.

Sie arbeiten in Ihren Texten gerne und immer wieder mit autobiografischem Material. Haben Sie diesbezüglich literarische Vorbilder?
Dafür gibt es ja jede Menge Vorbilder. Viele persönliche Erfahrungen schwimmen doch ganz selbstverständlich im Bewusstseinsstrom, aus dem wir schöpfen. Im vorliegenden Roman wird Hemingway genannt, aber natürlich nicht ohne Ironie. Denn der ist ja das Vorbild für die ersten, autobiografischen Texte, die hier, in einer letzten Endes verhinderten Autobiografie, zitiert werden.

Wien ist in Siebeneinhalb Leben der Schauplatz des Geschehens, wie in vielen Ihrer Bücher, auch in den beiden gerade neu aufgelegten Romanen Der Mai ist vorbei und Pepi Prohaska Prophet. Man könnte Sie auch als einen Chronisten des Lebens hier bezeichnen … eine Stadt, die mehr für Sie ist als ein bloßer Hintergrund?
Ja, klar, Wien ist die Stadt meiner Basis-Erfahrungen. Und es ist häufig der Spiel-Raum, in dem sich so manches abgespielt hat, was in meinen Romanen zur Sprache kommt. Etliches, was inzwischen in Vergessenheit zu geraten droht. In einer Zeit, in der sich viele nicht mehr hinter das Jahr 2000 zurückerinnern können oder wollen. Literatur hat viel mit Erinnerung zu tun, nicht bloß nostalgischer Erinnerung, das wäre ein Missverständnis. Aber wenn ich schreibe und wie ich schreibe und wie ich schon vor Jahrzehnten geschrieben habe, setze ich ein Zeichen gegen die Geschichtslosigkeit, die Gesichtslosigkeit, die überhandnimmt – so gesehen ist Literatur nach wie oder jetzt erst recht Widerstand.

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