5 Fragen an ... Fiston Mwanza Mujila

5 Fragen an ... Fiston Mwanza Mujila

Lieber Fiston Mwanza Mujila, Schauplatz Ihres neuen Romans Tanz der Teufel ist das Grenzgebiet zwischen Zaire/Kongo und Angola in den 1990er Jahren. Wie kam es zu dieser zeitlichen und räumlichen Verortung?
Aus meiner eigenen Erfahrung ist der Schriftsteller ein Archäologe. Er geht flussaufwärts bis zur Quelle. Aus den Überresten erschafft er sein Universum. Eine Welt und eine Epoche zu rekonstruieren, die nicht mehr existieren, könnte eine seiner Aufgaben sein. Ich wollte zumindest von meinem Kindheitsland erzählen. Ich bin in einer Diktatur geboren und aufgewachsen. Aber auch in einer solchen Staatsform hat das Leben Bedeutung – vielleicht sogar noch mehr als in einer demokratischen Republik, denn alles kann passieren: Bürgerkriege, Staatsstreiche ... Mein Roman stellt wichtige gesellschaftspolitische Ereignisse ins Rampenlicht wie die Landflucht oder den Diamantenrausch in Angola.

Eine gottgleiche Madonna, eine Frau ohne Alter, und ein Schriftsteller aus St. Pölten, der ihre Lebensgeschichte verfassen soll. Woher kommt das illustre Personal für Ihren Roman?
Mich interessieren Figuren mit schwachen und starken Seiten. Sie sind der Spiegel der menschlichen Zerbrechlichkeit. Jeder Schriftsteller hat seine eigenen Rituale, seine innere Küche, seine Wünsche und seine Phobien. Was mich betrifft, erfinde ich zuerst Charaktere und mit denen entwickle ich dann die Geschichte(n).

Der „Tanz der Teufel“ wird im Mambo de la fête getanzt. Was unterscheidet diese Bar vom Tram 83, wo man sich in ihrem gleichnamigen Debütroman getroffen hat?
Im Kongo ist die Bar präsent wie das Kaffeehaus in Wien. Die Leute gehen dort nicht nur zum Saufen und Feiern hin, sondern auch um Musik zu hören und über Politik zu sprechen. Die Bar ist die Erweiterung des eignen Hauses. In Tram 83 ist das Lokal ein zentraler Platz des Romans, ein Ort, an dem sich die Wünsche und Sehnsüchte der Bevölkerung materialisieren. Im Tanz der Teufel ist das Mambo de la fête eher ein Nebenschauplatz. Ich glaube, die Außenwelt ist der zentrale Ort in diesem Roman.

Sie nähern sich auch Fragen etwa nach kultureller Aneignung in Ihrem Buch ironisch gebrochen. Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Ironie, Literatur und Politik beschreiben?
Literatur ist für mich die Kunst der Politik. Aber die kulturelle Aneignung beschäftigt mich, seit ich in der Steiermark lebe. Ich bin Grazer und sogar Österreicher, aber ich bin mir bewusst, dass ich auch eine dunkelhäutige Person mit kongolesischer Herkunft bin. Irgendwann schreibe ich vielleicht einen Roman mit österreichischem geschichtlichen Hintergrund. Dann stellt sich die Frage: Habe ich die Legitimation über Österreich oder gar über alles zu schreiben?

Sie leben schon viele Jahre in Österreich, in Graz. Können Sie sich vorstellen, einen Roman auf Deutsch zu schreiben?
Jede Sprache ist in einem kulturellen Ökosystem verwurzelt. Ich finde es spannend – und vielleicht auch richtig und präzise –, auf Deutsch über Kärnten oder Linz zu schreiben.

Interview: Bettina Wörgötter

Newsletter
Newsletter