Autorinnenschreibtisch: Silke Schlichtmann

Autorinnenschreibtisch: Silke Schlichtmann

Wo schreibt Silke Schlichtmann?

Den einen festen Schreibort habe ich nicht. Ich schreibe im ICE am Fensterplatz, im Café mit neben dem Notizbuch stehender Cappucinotasse, im Garten auf der Bierbank, die es nicht mehr lange macht. Kurz mit dem Fahrrad gestoppt (die rettenden Ideen kommen oft erst, wenn ich in Bewegung bin), schreibe ich auch mal im Stehen. Schreiben klappt wie Lesen (fast) überall.
Ganze Bücher entstehen so aber noch nicht. Das, was ich überall schreibe, sind meist einzelne Passagen. Sind Handlungsentwürfe, Dialoge, Beobachtungen, besonders schöne (oder hässliche) Wörter. Sind Fragen, Ideen oder auch nur Schnipsel davon.
Wenn es dann irgendwann von Stift und Papier hin zum Laptop geht (was nie vollständig passiert; bis zur Abgabe des Manuskripts bleibt das Schreiben mit der Hand für mich sehr wichtig), dann habe ich zwar noch immer nicht den einen festen Arbeitsplatz. Aber es gibt nun doch einen Ort, den ich besonders oft aufsuche und den ich besonders schätze. Und das ist der Lesesaal der Internationalen Jugendbibliothek (IJB) in Schloss Blutenburg in München. Hauptsächlich sitzen hier Stipendiat:innen aus aller Herren und Frauen Länder und andere Menschen, die zur Kinder- und Jugendliteratur forschen. Manchmal sind denn auch fast alle Plätze belegt. Und für mich bleibt nur noch der kleine Katzentisch, den ihr hier seht – wobei das „nur“ sofort in Anführungsstriche zu setzen ist. Auch wenn er auf dem Foto recht unspektakulär wirken mag, für mich ist dieser Arbeitsplatz ein großes Geschenk: Er liegt in Radelnähe (in gut fünf Minuten von zu Hause aus bin ich schon da). Er bietet einen Blick ins Grüne (Tageslicht, die Nähe zum Draußen, wie wunderbar). Drumherum herrscht konzentrierte Arbeitsatmosphäre (hier arbeiten wirklich alle, und keine schmutzige Wäsche, keine volle Spülmaschine, nicht mal ein Kaffeeautomat verführen zu Übersprungshandlungen). Und schließlich, in seiner Bedeutung fürs funktionierende Schreiben kaum zu überschätzen: Den Zugang zum Internet habe ich mir in der IJB, trotz wiederholter freundlicher Angebote, einfach nicht erklären lassen. Wenn ich hier schreibe, bin ich offline (für die von der Schule der Kinder gewünschte Erreichbarkeit habe ich mein über zwanzig Jahre altes Nokia-Tastenhandy dabei, mit dem man wirklich nur telefonieren und SMS schreiben kann und dessen Nummer außer Schule und Familie kaum jemand kennt).
Hier, am Katzentisch im Lesesaal der IJB, ist der größte Teil der Krabbenbrötchen entstanden. Und hier schreibe ich jetzt auch an meiner nächsten Geschichte.

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