5 Fragen an ... Yael Inokai

5 Fragen an ... Yael Inokai

Im Zentrum deines Romans, Ein simpler Eingriff steht eine Krankenschwester. Was hat dich an dieser Figur und an diesem Beruf fasziniert?
Schon der Begriff ist interessant, denn es geht um eine Krankenschwester, nicht um eine Pflegefachangestellte. Der Beruf der Krankenschwester war lange untrennbar mit der Kirche verbunden. Noch in den Siebzigerjahren war es beispielsweise in manchen Schwesternwohnheimen in Deutschland Pflicht, eine Erklärung zu unterschreiben, dass man nicht heiraten oder Kinder bekommen werde, sonst müsse man ausziehen. Es war ein Beruf, in dem die absolute Selbstaufgabe erwartet wurde, in einem geradezu religiösen Sinne. Das ist ein stückweit noch immer so. Gleichzeitig eröffnete dieser Beruf Frauen lange eine Möglichkeit, ein eigenständiges Leben zu führen, unter Frauen oder alleine sein zu können. Die Krankenschwester erlebt einen Menschen in großer Verletzbarkeit und Intimität. Das ist natürlich auch ein Spannungsfeld für eine Figur, die in einer Klinikhierarchie nicht besonders weit oben steht. Von meinem eigenen Berufsalltag ist diese Figur weit entfernt. Dass meine Mutter Krankenschwester war, bot mir aber einen Anknüpfungspunkt. Sie hat ihre Ausbildung Ende der Sechzigerjahre angetreten und dreiundvierzig Jahre in einer Klinik gearbeitet. Da hat sich einiges von den schönen, aber auch schlimmen Seiten dieses Berufs und seiner Entwicklung über die Jahrzehnte transportiert.

Der Titel Ein simpler Eingriff verweist scheinbar auf einen medizinischen Eingriff. Um was für eine Art von Eingriff handelt es sich dabei?
Ich habe eine Geschichte entworfen, in der ein Eingriff Menschen gezielt von „Störungen“ befreien soll. Das ist lose angelehnt an Versuche in der Medizingeschichte, Menschen mit einfachen Mitteln von Wahn und Depression zu heilen – was auch immer diese Begriffe in der jeweiligen Zeit bedeutet haben. Der Eingriff in meinem Roman soll simpel und schmerzlos sein; eine zeitlose Hoffnung, etwas im einzelnen Menschen beheben zu können. Etwas, das vielleicht gar nicht behoben werden sollte, weil es nicht der Einzelne ist, der sich ändern muss.

Die Geschichte spielt in der Nachkriegszeit und handelt von zwei Frauen, die sich ineinander verlieben. Was verbindet und was trennt diese beiden Frauen? Und wie unerhört ist ihre Liebe?
Die beiden Frauen verbindet ihre Stellung, ihr Beruf – und ihre Gefühle füreinander. Es trennt sie, dass die eine schon sehr viel mehr über die grundlegende und internalisierte Misogynie ihrer Welt und sich selbst verstanden hat als die andere. So gesehen sind sie in unterschiedlichen Welten zuhause. Die Liebe zwischen den beiden Frauen ist im wahrsten Sinne unerhört. Lesbische Liebe wurde in der Geschichte lange Zeit negiert, tauchte in vielen Gesetzen, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellten, gar nicht auf. Das heißt nicht, dass lesbische Frauen vor Verfolgung und Gewalt geschützt waren. Aber es hat ihnen zumindest die Möglichkeit eröffnet, zusammenzuleben, zusammen zu sein, weil sich viele diese Liebe gar nicht denken konnten. Gegeben hat es sie immer. Und auch wenn uns die Bücher und Filme mit ihren oft dramatischen Kulminationen etwas Anderes erzählen wollen: Es hat genauso immer lesbische Paare gegeben, die unter teils widrigsten Umständen zusammengeblieben sind, zusammenbleiben konnten. Weshalb es mir sehr wichtig war, diese Liebe auch positiv zu erzählen.

Die wenigen Männer in deinem Buch verkörpern alle bestimmte Machtpositionen, während die Frauen eine ganz andere Art von Macht innehaben, von der sie oft gar nicht wissen, dass sie sie haben. Wie wichtig war es dir, solche Machtstrukturen aufzuzeigen?
Macht ist überall, in jeder menschlichen Interaktion. Manchmal auf unerwartete Art und Weise; die Art und Weise, wie jemand Macht ausspielt, der sie in der Gesellschaft eigentlich sonst nicht hat, ist faszinierend. Dieser Text wird nicht der letzte sein, in dem ich mich dem schreibend anzunähern versuche.

Und zum Schluss eine ganz andere Frage: Was hat es eigentlich damit auf sich, dass in deinem Buch so viel Karten gespielt wird?
Ich liebe das Cineastische eines Kartenspiels. Was da in den Gesichtern der Figuren passiert, wie sich die Stimmung zwischen den Spielerinnen stetig verändert. Was auf einer anderen Ebene eigentlich verhandelt wird. Ich habe Film studiert, für mich sind meine Bücher immer auch Kino. Das Kartenspiel in meinem Roman bringt Figuren zusammen, die in ganz unterschiedlichen Welten zuhause sind. Ich fand es spannend zu erkunden, ob es eine Brücke zwischen ihnen schlägt.

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