5 Fragen an ... Verena Keßler

5 Fragen an ... Verena Keßler

Liebe Verena Keßler, in Eva treffen vier sehr unterschiedliche Frauen aufeinander: Aus ihrer jeweiligen Perspektive setzen sie sich mit dem Kinderkriegen auseinander. Ist es dir leichtgefallen, diese vier Stimmen in einem Roman zu vereinen? Welche der Frauen sind dir näher, welche ferner?
Ich kann mich mit allen vier Frauen identifizieren, weil hinter jeder ihrer Geschichten Fragen stehen, die ich mir selbst stelle: Woher weiß man, ob man Mutter sein möchte? Was, wenn man sich dafür entscheidet, der Körper aber nicht mitmacht? Gibt es einen Ausweg, wenn man die Mutterschaft bereut? Wie damit umgehen, dass man seine Kinder nicht vor allem Leid bewahren kann? Eva selbst fällt ein bisschen raus, ihre Frage betrifft nicht nur das Persönliche, sie ist größer und letztlich müssen sich auch die anderen Figuren damit auseinandersetzen: Was bedeutet es, im Angesicht der Klimakatastrophe noch Kinder zu bekommen?

In allen vier Teilen von Eva spielen Tiere eine zentrale Rolle – an einer Stelle heißt es, „Tiere waren auch nur Menschen“. Warum tauchen so viele Tiere in einem Roman über Mutterschaft auf?
Sie tauchen ja nicht nur in einem Roman über Mutterschaft auf, sondern auch in einem Roman über die Klimakrise. „Für wen denn die Erde retten, wenn keiner mehr da ist?“, fragt eine Figur in Bezug auf Evas Forderung nach einem Geburtenstopp. Vielleicht sind die Tiere im Buch eine Erinnerung daran, dass wir nicht allein sind auf diesem Planeten.

Wenn es nach Eva Lohaus ginge, wäre sie die letzte Eva dieser Welt. Woher kommt diese radikale Figur in deinem Text?
Die Klimakrise ist so bedrohlich, die Lage so ernst, dass man doch immer wieder denkt: eigentlich müssten wir doch alle – und dann kommt irgendwas Radikales, in den Hungerstreik treten, Autobahnen blockieren oder eben keine Kinder mehr kriegen. Die meisten von uns machen nichts davon, weil es sich nicht mit dem Wunsch nach einem „normalen Leben“ vereinen lässt. Aber schon jetzt gibt es Gruppierungen, die genauso radikal sind wie Eva oder radikaler. Ich glaube, dass das noch zunehmen wird, und tatsächlich erfordert die Situation ja Radikalität. Nur eben eigentlich an anderer Stelle, nämlich bei denen, die wirksame Klimapolitik machen sollten.

Wie reiht sich dein Roman damit in die Literatur über Mutterschaft ein und worin setzt Eva sich von vorherigen Mutterschaftserzählungen ab?
Erzählungen über Mutterschaft, die mir selbst gefallen, sind immer ambivalent. In ihnen ist Mutterschaft weder der blanke Horror noch das reine Glück und so ist es auch in Eva.
Eine Zeitlang habe ich alles verschlungen, was es zu diesem Thema gab, auch, weil die Frage nach eigenen Kindern in meinem Umfeld plötzlich so eine zentrale Rolle gespielt hat. In der gleichen Zeit ist die Klimakrise endgültig in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte gerückt und ich habe gemerkt, dass ich das nicht getrennt voneinander denken kann. Literarisch hat mich gereizt, dass es hier eine Spannung zwischen rationalen Argumenten und emotionalen Beweggründen gibt.

Während der Lektüre von Eva kommt immer wieder der Gedanke auf, dass sich Kinderkriegen und Klimaschutz kaum vereinen lassen. Auf ihre Weise quälen sich alle vier Figuren mit diesem scheinbaren Widerspruch. Was würdest du ihnen raten, wie blickt man heute optimistisch in die Zukunft blicken?
Leider bin ich nicht klüger als meine Figuren, deswegen weiß ich gar nicht, ob ich ihnen etwas raten kann. Wenn sie meine Freundinnen wären und ich mit ihnen am Tisch sitzen würde, würden wir wahrscheinlich über die Lösungen sprechen, die es ja gibt, um die Krise zu überwinden, auch wenn die Umsetzung oft so unrealistisch wirkt. Und vielleicht kämen wir dann zu dem Schluss, dass wir uns sehr viel stärker als bisher für diese Lösungen einsetzen müssen, wenn wir Hoffnung wollen.

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