5 Fragen an ... Vendela Vida

5 Fragen an ... Vendela Vida

Die Gezeiten gehören uns spielt im San Francisco der 1980er Jahre. Inwiefern untermauert gerade dieser Hintergrund die Geschichte, wie es eine andere Kulisse womöglich nicht gekonnt hätte?
Ich bin in den 80er Jahren in San Francisco aufgewachsen und konnte mich nie von dem Gedanken befreien, alles Bedeutsame verpasst zu haben. Wir sind im Schatten legendärer Musiker, Schriftsteller und Aktivisten und im Fahrwasser interessanterer Zeiten aufgewachsen. Also mussten wir uns unser eigenes Faszinosum schaffen. Ich wollte die Mädchen in dem Buch und ihre sich verändernden Körper und Leben als Metapher für San Francisco und die Verwandlung darstellen, die die Stadt damals durchlief. Tatsächlich endet das Buch in der Tech-Boom-Ära, wobei keine der Figuren persönlich mit dieser Branche zu tun hat. Sie sind in dieser anonymen Zeit aufgewachsen, weder hier noch dort.

Interessanterweise beginnt der Roman mit einem Zitat von Edith Wharton. Viele Romane dieser Autorin beschäftigen sich mit jungen Frauen, die zwischen gesellschaftlichen Normen und Beschränkungen aufgerieben werden. Was hat Sie dazu bewegt, dieses Zitat auszuwählen?
Im Jahr 2019, kurz vor der Pandemie, las ich viel von Wharton, und Undine Spragg, die Antiheldin aus The Custom of the Country, kam mir besonders spannend vor. Die Art und Weise, wie Wharton Undines Tunnelblick auf das Emporkommen in der Gesellschaft schildert, half mir, die Figur Maria Fabiola zu definieren. Maria Fabiola ist magnetisch und geltungssüchtig, und für mich ist sie extrem komisch und tragisch zugleich. Ein bisschen wie Undine.

Hat Edith Wharton auch noch auf andere Art für das Buch Pate gestanden?
Ich habe alle Schulen in Die Gezeiten gehören uns nach Wharton-Protagonistinnen aus diversen Romanen benannt – Spragg, Viner, Olenska. Mit einem Zitat aus Whartons Haus der Freude zu beginnen schien mir besonders passend für den Roman – auch als kleinen Hinweis für die Leserinnen und Leser auf das, was sie im Buch erwartet.

Das Besondere an der dreizehnjährigen Protagonistin Eulabee ist ihre Ehrlichkeit, ihre Freigeistigkeit und ihr trockener Humor. Und doch sind ihre Kämpfe und Anstrengungen sehr nachvollziehbar. Glauben Sie, dass die weibliche Adoleszenz in unserer Kultur (innerhalb eines gewissen Zeitrahmens) etwas Universelles hat?
In letzter Zeit bin ich eingetaucht in Filme über Teenager und habe mir alles Mögliche angesehen – von John Duigans Flirting – Spiel mit der Liebe bis hin zu Adrian Lynes Jeanies Clique –, und ja, ich glaube schon, dass weibliche Adoleszenz etwas Universelles hat: Der Freundeskreis spielt eine enorm wichtige Rolle, und alle Erlebnisse und Erfahrungen werden dramatisch erhöht. Einige meiner Lieblingsbücher, die sich mit den Teenagerjahren auseinandersetzen, sind in anderen Ländern und zu anderen Zeiten angesiedelt – Françoise Sagans Bounjour Tristesse, und Tove Ditlevsens Jugend –, und was mir dabei besonders auffällt, sind die Ähnlichkeiten, die den Erfahrungen weiblicher Teenager überall auf der Welt zugrundeliegen.

Im letzten Teil des Romans wirkt die erwachsene Eulabee bei ihrer Begenung mit Maria Fabiola auf der Insel Capri auffällig gedämpft, fast niedergeschlagen. War es Ihnen von Anfang an klar, dass Sie die Protagonistinnen als erwachsene Frau darstellen würden, oder hat sich diese Idee beim Schreiben herauskristallisiert?
Sie kam mir relativ spät beim Schreiben. Der Rest des Buches lag einige Monate lang mehr oder weniger fertig herum, bevor ich den Gedanken hatte, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Ich wollte zeigen, wie sehr sich die Figuren in mittlerem Alter verändert hatten, wobei noch immer dieselbe chemische Reaktion ausgelöst wird, wenn die Frauen in bestimmten Kombinationen aufeinander treffen. Die erwachsene Eulabee arbeitet als Übersetzerin – was mir angesichts ihres Interesses an Geschichten einleuchtend erschien. Am Ende des Buches versucht sie noch immer, sich einen Reim auf das zu machen, was Maria Fabiola mit ihren Lügen bewirkt hat und wie diese die Kindheit und das Erwachsenenleben beider Mädchen geprägt haben.

Interview: Übersetzerin Monika Baark

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