5 Fragen an ... Ulrich Weinzierl

5 Fragen an ... Ulrich Weinzierl

Was war der Anstoß für Ihr neues Buch?
Im Sommer 2012 fragte mich der Leiter des Salzburger Stefan Zweig Centre, Klemens Renoldner, ob ich nicht Lust hätte, für einen Sammelband einen Essay über Zweigs Memoiren „Die Welt von Gestern“ zu schreiben. Ich hatte Lust und Zeit und habe mich wieder in die Literatur von und über Zweig eingearbeitet. Dabei ergaben sich Fragen in Bezug auf sein Privat-, sein Sexualleben. Niemand, auch die Experten nicht, vermochten mir befriedigende Antworten zu geben. So musste ich auf eigene Faust die Lösung der Rätsel finden, das Geheimnis des Menschen Stefan Zweig zu ergründen versuchen.

Stefan Zweigs Werke wurden und werden weltweit mit anhaltender Begeisterung gelesen. Was ist das Faszinierende an ihnen?
Er war ein Menschenbeobachter und -kenner von Graden, konnte sich auch und gerade in historische Gestalten einfühlen wie kein Zweiter. In seinen Texten beherrscht er virtuos die Technik dramatischer Zuspitzung, er ist ein Hochdramatiker des Erzählens. Leser in aller Welt werden bis heute gepackt, in seine Geschichten gleichsam hineingerissen. Und er war der erste bewusste und engagierte Europäer der deutschsprachigen Literatur.

Zweig selbst wurde sowohl als „Glückskind des Lebens“ bezeichnet als auch als „gebrochene Existenz“. Ein von Ihnen 1992 herausgegebener Sammelband trug den Titel „Triumpf und Tragik“. Wie lässt sich dieser Zwiespalt erklären?
Stefan Zweig gehörte zu den erfolgreichsten Schriftstellern seiner Epoche, alles schien ihm von Anfang an in den Schoß zu fallen: Ruhm ebenso wie Geld, das er eigentlich gar nicht brauchte – seine Familie war reich, sehr reich. Zweig wurde von vielen Kollegen beneidet, ja verachtet, obwohl er unter Literaten der großzügigste, ein selbstloser Helfer war. Kein angenehmes Schicksal. Die Tragödie seines Lebens aber ist der Untergang Österreichs 1938 gewesen, seiner „Welt von Gestern“ – als Jude verfemt und verfolgt zu sein, ein Flüchtling unter unzähligen anderen. Er war – innerlich und in politischen Dingen – ein Zauderer, ein Zerrissener. Ein rastloser Weltbürger, der erst im selbst herbeigeführten Tod Ruhe fand.

Warum haben gerade Stefan Zweigs Leben und Werk Sie über Jahrzehnte beschäftigt?
Gerade diese Ambivalenz seiner Existenz fasziniert bis heute. Ich bin nach Jahrzehnten zu Zweig zurückgekehrt, weil er mich nie ganz losgelassen hat.

Wie recherchiert man über einen Schriftsteller, über den angeblich schon alles gesagt ist?
Lesen, nicht verstehen. Nochmals lesen, nicht verstehen. Abermals lesen, etwas ahnen. Bei der letzten Lektüre, wenn man lange Übersehenes, Verdrängtes dechiffrieren kann, plötzlich verstehen. Indizien aus verschiedensten Zeugnissen in mehreren Sprachen zusammentragen: In der Zusammenschau ergibt sich ein Bild, jenes Bild, das manches in Zweigs Wesen und Werk besser verständlich macht.

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