5 Fragen an ... Tommy Orange

5 Fragen an ... Tommy Orange

Lieber Tommy Orange, Dort Dort ist ein Buch über die zeitgenössische Erfahrung von Native Americans. Was bedeutet es, heute Native American und damit Teil einer Gemeinschaft zu sein, deren Identität in der Vergangenheit erst so gut wie ausgelöscht und dann zum amerikanischen Mythos umformuliert wurde?
Es gibt nicht nur eine Art und Weise, Native American zu sein. Es war mir wichtig zu zeigen, dass es ganz verschiedene indianische Identitäten gibt, dass es darauf ankommt, welchem Stamm man angehört und welchem nicht, obwohl man vielleicht enge Beziehungen zu ihm pflegt. Dass es eine Rolle spielt, in welchem Teil des Landes man aufgewachsen ist. Unsere Geschichte wird immer nur als etwas Vergangenes und Uniformes betrachtet. Alles, worüber ich sprechen kann, ist eine spezifische Erfahrung, Native American zu sein, in Oakland aufzuwachsen und in der dortigen Native Community zu arbeiten.

„Wir kennen das Rauschen des Freeway besser als das der Flüsse“, heißt es im Buch. Wolltest du stereotype Vorstellungen über Native Americans zu brechen?
Ja, auf jeden Fall! Ich wollte sie aufscheinen lassen und dann aufbrechen.

Der Roman ist aus mehr als einem Dutzend Perspektiven erzählt. Die Geschichten aller Figuren kulminieren an einem einzigen, schicksalshaften Tag beim großen Powwow, auf den die Handlung zuläuft. Warum hast du dich für einen multiperspektivischen Roman entschieden?
Ich mag Bücher mit vielen Charakteren, mit vielen Stimmen. Ich wollte zeigen, dass meine Community, die bisher häufig sehr einseitig dargestellt wurde, große Vielfalt aufweist. Es war nicht ganz leicht, all diese Stimmen zu einem Ganzen zu verbinden.

Der Romans spielt größtenteils in Oakland, Kalifornien, wo du selbst aufgewachsen bist. Der Titel des Buches ist von einem Gertrude Stein-Zitat über Oakland inspiriert: „There is no there there“. Das Oakland des Buches ist eine Stadt der sozialen Spannungen, geprägt von Gentrifizierung, aber auch von Zusammenhalt und geteilter Geschichte. Gibt es denn ein Dort dort — und was ist es?
Das lässt sich ohne Weiteres kaum beantworten. Ich bin zum Beispiel sehr interessiert daran, mehr über Deutschland und Berlin zu erfahren. Aber da ich bisher nur einmal dort war, gibt es eine Menge, was ich nicht greifen kann. Ich denke, man müsste wahrscheinlich das Buch lesen und dann Oakland besuchen – dann hätte man die Möglichkeit, wirklich etwas von der Stadt zu verstehen.

Der Prolog ist ein besonders eindrücklicher Teil des Buches: Er ist zornig, kämpferisch, von großer Unmittelbarkeit. Es ist ungewöhnlich, einen Roman so beginnen zu lassen, mit einem Essay. Wie kam es dazu?
Ich will damit einen klaren Kontext setzen, in dem deutlich wird, wie sehr die einzelnen Charaktere und ihr Leben von der gängigen Geschichtsschreibung in den Vereinigten Staaten beeinflusst sind. Ich möchte, dass der Leser versteht, was es bedeutet, Native American zu sein in einer amerikanischen Stadt der Gegenwart.

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