5 Fragen an ... Thilo Krause

5 Fragen an ... Thilo Krause

Lieber Thilo Krause, in Elbwärts erzählen Sie von Menschen, die nach vielen Jahren wieder in die Kindheitslandschaft ziehen. Ist der Roman auch für Sie eine Art Rückkehr?
Vor knapp 20 Jahren habe ich Dresden verlassen. Seitdem beschäftigt mich die Frage, ob eine Rückkehr in meine Kindheitslandschaften möglich wäre. Die Sächsische Schweiz, wo der Roman spielt, ist für mich über die Jahre immer ein Rückzugsraum gewesen. Ich wollte nochmals spüren, wie es ist, mit wenig Gepäck unterwegs zu sein, barfuß zu klettern und abends ein wenig betrunken in den Sternenhimmel zu schauen. Und gleichzeitig weiß ich, dass eine Rückkehr für mich unmöglich ist. Über die Jahre ist eine politische Stimmung aufgezogen, die mich betroffen, die mich traurig macht.

Sie leben seit vielen Jahren in der Schweiz, also nicht im Land Ihrer Geburt. Was bedeutet denn für Sie das Wort Heimat?
Heimat ist natürlich ein schrecklich schwieriges Wort. Obwohl es so zentral für den Roman ist, habe ich versucht, es sparsam zu gebrauchen. Es kommt nur dreimal auf den reichlich 200 Seiten vor. Das Paar im Roman geht von Heimat als einem Ort aus, aber nach und nach schwindet diese anfängliche Idee und es kommt stattdessen eine vergangene Zeit zum Vorschein. Ich selbst kann mich am ehesten noch mit dem Konzept einer geistigen Heimat anfreunden, eine Art und Weise in der Welt zu sein, die sich aus vielen Quellen speist. Vielleicht aus einem Woher und Wohin über Ländergrenzen hinweg, aus Kunst und Sprache, aus der Familie und dem Freundeskreis.

Und das Wort Fremde?
Als Kind der DDR war die Fremde oder das Fremde für mich immer etwas Anziehendes. Ich hatte oft Fernweh, das ich mit Lesen gestillt habe. Jetzt, in der Schweiz, ist das Fremde oft eine Art freundliche Nachbarschaft. In unserem Quartier beträgt der Ausländeranteil 40 Prozent. Wir sind uns alle ein wenig fremd, aber in diesem Fremdsein auch wieder ähnlich. Es ist die Erfahrung, dass man von irgendwoher aufgebrochen ist. Oft schafft man es, eine Sprache zu finden, in der man sich genau davon erzählen kann: wo man hergekommen ist, warum man losgegangen ist, wie es einem geht „in der Fremde“ oder „in der neuen Heimat“ – je nachdem, wie es jeder sieht.

Bisher haben Sie mehrere Bände Gedichte veröffentlicht; wie sind Sie zum Schreiben eines Romans gekommen?
Ich habe mir nie selbst „auferlegt“, einen Roman schreiben zu müssen. Ich hatte die Landschaft, dann sind die Charaktere hinzugekommen und ich konnte nicht aufhören, sie schreibenderweise zu begleiten, um so auch über mein eigenes Leben nachzudenken. Dazu scheinen mir meine Gedichte teils narrativ, als wären es kurze, dichte Erzählstränge. Die Szenen im Roman habe ich mir wiederum wie Gedichte vorgestellt. Ich wollte, dass sie ähnlich geschlossen sind, als könnten sie für sich selbst stehen, aber in der Abfolge aller entfaltet sich dann die Handlung des Romans.

Denkt und schreibt der Autor eines Romans anders als der Autor von Gedichten?
Für mich entspringt alles aus der Sprache. Ich muss einen Ton präsent haben, eine Stimme hören, als würde jemand aus dem Text heraus zu mir sprechen. Das gilt für das Gedicht wie auch für die Prosa. Wenn es nicht klingt, mag ich es nicht lesen.

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