5 Fragen an ... Stefan Hornbach

5 Fragen an ... Stefan Hornbach

Lieber Stefan Hornbach, du bist ausgebildeter Schauspieler, du hast ein vielfach ausgezeichnetes Theaterstück geschrieben, nun erscheint dein erster Roman. Wie hat sich deine Arbeit für die Bühne auf die Entstehung dieses Romans ausgewirkt?
Ich habe bereits vor meinem Schauspielstudium geschrieben, oft Texte, bei denen ich mir nicht ganz sicher war, in welche Schublade sie gehören. Manche dieser Texte habe ich später auf der Bühne ausprobiert und von dort aus weiterentwickelt. Auch mein erstes Theaterstück Über meine Leiche ist aus Prosamaterial entstanden, das lange verstreut herumlag und sich nicht zum Roman formen wollte. Indem ich die bereits skizzierte Handlung Figuren in den Mund gelegt habe, wurde sie konkret. In der Dialogform habe ich mich aufs Wesentliche konzentriert, mir aber auch die Freiheit genommen, die Geschichte von dort aus ins Absurde zu spinnen und sprachlich zu experimentieren. Ich denke, ich habe mich ein bisschen freigeschrieben und nebenbei zu einem humorvollen Umgang mit ernsten Themen gefunden.

Gegenwärtiges Erzählen ist stark angetrieben vom Wunsch nach Wahrhaftigkeit und Authentizität, die Autofiktion ist sehr beliebt. Du hast einen anderen Weg gewählt, stellst eigene Erfahrungen im Text nicht offensiv aus, wählst einen beinah traditionell anmutenden Entwurf einer Literarisierung biographischer Erfahrungen. Warum hast du dich für diesen klassischen Weg der Fiktionalisierung und des Geschichtenerzählens entschieden?
Es war bei mir bisher eigentlich immer so, dass mein Schreibanlass ein persönlicher war, also der Drang zu schreiben ausgelöst wurde von einer Art innerer Notwendigkeit, mich mit Inhalten auseinanderzusetzen, die mich auch selbst betreffen und zu denen ich etwas beizutragen haben könnte. Dabei ist mir aber wichtig, im Schreiben frei zu sein, und die für mich größere Freiheit habe ich bislang in der Möglichkeit der Fiktionalisierung gefunden. Es ging mir also nicht um die Dokumentation meiner eigenen Erfahrung, sondern um eine offene Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Themen wie Krankheit, Heilung, Erwachsenwerden, Freundschaft und Familie. Im Schreibprozess ist meine persönliche Expertise dann nicht wertvoller als meine Vorstellungskraft. Im besten Fall weiß das eine das andere zu schätzen und zu ergänzen.

Der Erzähler Sebastian im Roman erkrankt schwer und hat drei Tumore im Körper. Sein Umgang mit der Krankheit gibt den Ton des gesamten Romans vor: Er zieht zurück zu seinen Eltern und in sein altes Kinderzimmer, er bleibt ganz bei sich und erzählt diese Zeit nicht als Todeskampf. Er verliebt sich in der Zeit der Chemotherapie sogar in einen anderen Jungen. Wie hast du für dich einen Weg gefunden, um angemessen über das Thema Krankheit zu schreiben? Warum hat dich die Dramaturgie eines Kampfes nicht so sehr interessiert?
Noch bevor ich Susan Sontags Krankheit als Metapher gelesen hatte, war ich verwundert darüber, wie gängig im Kontext von Krankheit mit aggressiven bis militaristischen Begriffen operiert wird. Jemand, der schwer erkrankt, soll den Kampf aufnehmen, die Krankheit besiegen. Tumore werden zu Gegnern, das ist naheliegend, denn sie können den Tod herbeiführen. Gleichzeitig sind sie aber doch auch im eigenen Körper gewachsen, und werden sie früh genug erkannt, befindet man sich in einem Stadium, in dem ja noch viel mehr funktioniert als nicht funktioniert. Ich würde einem erkrankten Menschen wünschen, sich so entspannt wie möglich von einer Krankheit erholen und heilen zu können. Klar, die Erzählung eines Kampfes kann vielleicht auch motivierend wirken – aber doch auch abschreckend und Stress auslösen. Für mich war beim Schreiben wichtig, dass ich Sebastian nicht auf seine Krankheit reduziere. Er ist ja noch so viel mehr als ein Krebspatient, die Tumoren nehmen schon genug Raum ein. Er ist noch immer auch Sohn und Freund und vieles mehr, und kann sich eben auch zu einem so ungünstigen Zeitpunkt verlieben.

Die Angehörigen, Freunde und Familie nehmen in der Geschichte eine zentrale Rolle ein. Auch für sie ist es eine Extremsituation, einen so nahen Menschen durch diese schwere Zeit zu begleiten. Ist es für dich mehr ein Roman über eine Krankheit oder mehr ein Roman über Freundschaft und Familie?
Es ist ein Roman über den Umgang eines jungen Menschen und dessen Umfeld mit einer lebensbedrohlichen Krankheit. Die Handlung kippt von einer als normal erachteten Unbeschwertheit in eine Extremsituation mit offenem Ausgang. Das Leben, das Sebastian als selbstverständlich angenommen hatte, ist es auf einen Schlag nicht mehr. In so einer Situation bekommt man bestenfalls Unterstützung, und für Sebastian wird diese Zeit zu einer andauernden Vertrauensübung: Mit Mitte zwanzig wird er wieder zum Kind, die alte beste Freundin steht in der Tür und meint es nur zu gut mit ihm, und auf den Hund ist sowieso Verlass. Ich denke, Sebastian lernt vieles zu schätzen, von dem er glaubte, es sei normal oder nicht mehr so wichtig. Und von da an ist es auch eine Geschichte über die Möglichkeit einer Heilung.

Am Schluss des Romans ist Sebastian ein gefestigter junger Mann, der die Hoheit über seinen Körper zurückgewonnen zu haben scheint. Trotzdem bleibt auch offen, ob er wirklich voll und ganz gesund ist. Was möchtest du den Leserinnen und Lesern mit dem Erzählen dieser Geschichte mitgeben?
Eine Spur, die das Überleben einer lebensbedrohlichen Krankheit hinterlassen kann, ist die einer tiefen Verunsicherung. Vielleicht glaubt Sebastian am Ende des Romans, sich und seinen Körper besser zu kennen als vor der Erkrankung, und bestimmt hat er damit recht. Doch gleichzeitig ist er nun geübt in Katastrophenszenarien, und jederzeit bereit, wieder in den Notfallmodus zu wechseln. Ich will von der Ambivalenz dieser Situation erzählen, vom Versuch einer Emanzipation von der eigenen Traumatisierung.

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