5 Fragen an ... Sarah Ladipo Manyika

5 Fragen an ... Sarah Ladipo Manyika

Liebe Sarah Ladipo Manyika, die Hauptfigur Ihres Romans heißt Morayo und ist eine 75-jährige Nigerianerin, frühere Diplomatengattin und nun Professorin im Ruhestand. Wie sind Sie zu dieser Figur gekommen?
Ich kenne viele ältere Frauen, die ein faszinierendes Leben führen. Geschichten, die von solchen Frauen erzählen, findet man allerdings nur sehr selten in der Literatur, und noch weniger wenn es um die Lebensgeschichten schwarzer Frauen geht. Immer wenn ich während des Schreibens am Roman feststeckte, traf ich auf beeindruckende ältere Frau, die mich dazu bewegten und mich anspornten weiterzuschreiben.

Besonders beeindruckt mich die Diversität der Charaktere in Ihrem Buch. Der Roman ist sehr vielfältig in Bezug auf Hautfarbe, Alter, Lebensstandard und Geschlecht. Ihre Charaktere sind indisch, palästinensisch, amerikanisch, nicaraguanisch, guyanisch, und vieles mehr. War Ihnen dieses breite Spektrum an Charakteren wichtig? Wenn ja, warum?
Eine Zeitlang war der Arbeitstitel meines Buches New Tales of the City in Anlehnung an Tales of the City von Armistead Maupin. Ich hatte gehofft, ähnlich wie Maupin, die Aufmerksamkeit auf Charaktere zu lenken, die bisher nicht besonders prominent in der Literatur vertreten sind. Ich fühle mich hingezogen zu Figuren, die oft nicht sichtbar sind aufgrund der Umstände, die Sie genannt haben: Hautfarbe, Alter, Lebensstandard und Geschlecht. Während diese Charaktere kaum eine Rolle spielen, begegnen sie uns im wahren Leben überall. Besonders interessiert mich dabei, was diese sogenannten „Außenseiter“ über sich selbst denken im Vergleich dazu wie sie von anderen wahrgenommen werden, gerade in Zeiten in denen es so eine große Angst vor dem vermeintlich „Anderen“ gibt.

Wie ein Maultier, das der Sonne Eis bringt ist ein recht ungewöhnlicher Titel. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich liebe Titel, die die Leser*innen zum Nachdenken anregen und Platz für die eigene Interpretation bieten. Während ich an dem Buch gearbeitet habe, las ich viel von Mary Ruefle. Ihr Gedicht Donkey On hat mich dabei besonders angesprochen, da es für mich etwas über die Bedeutung des Lebens und seine bittersüßen Momente aussagt. Es ist zugleich verspielt und tief philosophisch und endet mit einem ungewöhnlichen Geschenk: Einer Frau wird am Ende ihres Lebens ein weiteres Lebensjahr geschenkt. Die letzte Strophe des Gedichts sinniert darüber, wie man dieses letzte Jahr verbringen kann, und darin habe ich den Titel für mein Buch gefunden
“The only question is how to spend it,
so I carry it on my back
like a mule bringing ice cream
to the sun”

Ich finde es toll, dass Morayo ihre Bücher danach sortiert, welche Charaktere miteinander sprechen sollten. Was für eine schöne Vorstellung, dass sich Ideen in der Literatur buchstäblich miteinander vermischen und austauschen können! Wie würden Sie Ihre Bücher sortieren, um sie miteinander „sprechen“ zu lassen?
Wie Morayo besitze ich Hunderte von Büchern und da ich immer zu wenig Platz im Regal habe, finden sich meine Bücher ständig neben einem neuen Nachbarn wieder. Wenn ich zum Beispiel jetzt gerade mein Bücherregal ansehe, fällt mein Blick auf Diana Evans Ordinary People, welches sich auf Barack Obamas Buch Dreams from my Father niedergelassen hat, während A Stranger’s Pose von Emmanuel Iduma auf John Bergers Here is Where we Meet liegt. Wenn ich meine Bücher so wie Morayo sortieren würde, würde ich definitiv Home von Toni Morrison zu Marilynne Robinsons Home und Chinua Achebes Home and Exile stellen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Kunst transformative Kräfte besitzt und kulturübergreifend Verständnis schaffen kann. Immer wenn ich das Glück habe, dass eins meiner Bücher in eine andere Sprache übersetzt wird, suche ich deshalb in meinem Bücherregal nach Autoren*innen, die in dieser Sprache schreiben und halte Ausschau nach neuen. Im Moment sitzt Wie ein Maultier, das der Sonne Eis bringt neben der englischen Übersetzung von Birgit Vanderbekes Das Muschelessen.

Haben sie irgendwelche Eigenarten beim Schreiben?
Das kommt ganz darauf an, wo ich mich gerade im Schreibprozess befinde. Am Anfang habe ich ganz viele Ticks und viele davon sind Formen von Prokrastination…Ich putze, wasche Wäsche und verliere mich viel zu oft online. Und dann, wenn das Schreiben wirklich fließt, vergesse ich alles um mich herum und Stunden können vergehen, ohne dass ich daran gedacht habe aufzustehen, mich zu bewegen, zu singen, Musik zu hören, laufen zu gehen, zu tanzen, zu schlafen, zu essen… aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Newsletter
Newsletter