5 Fragen an ... Ralf Fücks

5 Fragen an ... Ralf Fücks

Ralf Fücks, welche Auswirkungen hat die Wahl von Donald Trump für die liberalen Demokratien des Westens?
Ein Unglück kommt selten allein - das trifft auch auf Präsident Trump zu. Er surft auf einer antiliberalen Welle, die auch durch Europa rollt. Im April 2016 schrieb die amerikanische Publizisten Anne Applebaum, der Westen sei nur noch drei Wahlen von seiner Selbstzerstörung entfernt. Brexit und Trump sind schon passiert - fehlt noch die Wahl von Marine Le Pen zur französischen Präsidentin. Das wäre der Super-Gau für die EU. Aber auch ohne diesen dritten Akt sind wir mitten in einer grundlegenden Auseinandersetzung um die Zukunft der Demokratie. Zur Herausforderung durch autoritäre Regimes von außen - Russland, China, Türkei, Iran - kommt jetzt die Herausforderung durch autoritäre und nationalistische Kräfte von innen.

Welche gesellschaftlichen Veränderungen liegen populistischen Bewegungen wie der AfD und Pegida zugrunde?
Die gesellschaftliche Stimmungslage ist gereizt. Wachsende Teile der Bevölkerung fühlen sich durch die stürmischen Veränderungen unserer Tage verunsichert: ökonomische Globalisierung und weltweite Migration, digitale Revolution, Auflösung der traditionellen Geschlechterrollen, Souveränitätsverlust der Nationalstaaten. Abstiegssorgen und Zukunftsängste breiten sich aus. Das ist der Boden, auf dem die Revolte gegen die liberale Moderne gedeiht. Die Populisten von rechts wie von links versprechen Sicherheit durch Abschottung. Sie fordern den autoritären Staat als Schutzmacht der kleinen Leute und verkaufen simple Antworten auf komplizierte Probleme. Und sie appellieren an starke Gefühle: Angst, Wut, Stolz. Dagegen wirken die demokratischen Parteien der Mitte zumeist blass, ohne Vision und Leidenschaft. Das ist auch das Problem von Frau Merkel.

Sie zeigen in „Freiheit verteidigen“, dass die Moderne schon immer von antimodernen Gegenbewegungen begleitet wurde. Was lehrt uns der Blick in die Geschichte?
In der Tat rufen die großen Modernisierungsschübe immer auch Gegenbewegungen hervor. Die Romantik war ein Reflex auf die erste industrielle Revolution; Faschismus und Kommunismus waren Gemeinschaftsreligionen, die gegen den Individualismus der Moderne, gegen kapitalistische Marktwirtschaft und liberale Demokratie wüteten. Die Moderne mutet den Leuten viel zu. Sie ist permanente Veränderung, das Leben beschleunigt sich, alte Sicherheiten gehen verloren. Was den einen ein Zugwinn an Freiheit ist, erscheint den anderen als Bedrohung.

In Ihrem Buch stellen sie die Frage, wie wir unsere offene Gesellschaft in Zeiten von wachsendem Populismus verteidigen können. Was sehen Sie als ersten Schritt?
Wir müssen neu nachdenken, wie wir das Grundbedürfnis nach Sicherheit und Zugehörigkeit mit Weltoffenheit und kultureller Vielfalt, mit offenen Märkten und europäischer Integration verbinden können. Dafür brauchen wir starke öffentliche Institutionen, die Teilhabe für alle ermöglichen. Bildung spielt eine Schlüsselrolle: es geht um die Befähigung von Menschen, souverän mit Veränderungen umzugehen. Wir brauchen eine neue Fortschrittserzählung, die ökologische Innovation mit Wohlstand für alle verbindet. Wir müssen die europäische Integration und das transatlantische Bündnis verteidigen - notfalls auch gegen Donald Trump und Le Pen. Am wichtigsten sind aber demokratisches Engagement und Zivilcourage als bürgerliche Tugend.

Was steht uns im Wahljahr 2017 bevor?
Ich hoffe auf einen lebendigen, streitbaren Wahlkampf und zugleich auf eine Stärkung der demokratischen Mitte. Dazu rechne ich auch die Grünen. Von der demokratischen Zuverlässigkeit Deutschlands hängt in diesen Zeiten viel ab. Ob wir es wollen oder nicht: Angesichts eines unkalkulierbaren amerikanischen Präsidenten und der zentrifugalen Kräfte in der EU fällt der Bundesrepublik die Rolle eines Stabilitätsankers im westlichen Bündnis zu. Daran muss sich jede künftige Bundesregierung messen lassen.

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