5 Fragen an ... Rafia Zakaria

5 Fragen an ... Rafia Zakaria

Warum haben Sie Against White Feminism geschrieben?
Ich bin eine muslimische Frau of Color aus Pakistan. Wenn ich Menschen aus westlichen Ländern treffe, denken sie oft, alle Diskriminierung und alle Konflikte in meinem Leben hätten in meinem Herkunftsland Pakistan stattgefunden. Dass alle Schwierigkeiten, die ich im Leben hatte, mit meiner Kultur und meiner Religion zusammenhängen würden. Mit Against White Feminism wollte ich diese Erzählung von der armen muslimischen Frau unterbrechen. Ich möchte, dass Frauen aus westlichen Ländern aufhören zu denken „Oh, es ist alles so schlimm dort drüben, und hier ist es großartig.“

Was ist weißer Feminismus überhaupt?
Der Begriff beschreibt verschiedene Überzeugungen und Verhaltensweisen, die sich im westlichen Feminismus eingebürgert haben, nicht unbedingt die Hautfarbe einer Person. Nicht jede Feministin, die weiß ist, ist eine weiße Feministin.Im westlichen Feminismus herrscht eine Ellbogenmentalität. Dieses rücksichtslose Streben nach dem eigenen Erfolg schadet Frauen of Color immens. Weiße Frauen denken zu wenig darüber nach, wen sie unterdrücken, während sie gegen ihre eigene Unterdrückung durch das Patriarchat kämpfen. Es gibt so viele Möglichkeiten für gemeinsame Inspiration und Schwesternschaft, wenn man nicht ständig versucht, andere zu übertrumpfen. Aber dahin kommen wir nur, wenn wir bewusst versuchen, weiße Privilegien und die damit verbundenen kapitalistischen Ideen aus dem Feminismus zu verbannen.

Was können Leser:innen von Against White Feminism mitnehmen?
Ich weiß, dass Menschen, die dieses Buch lesen, danach die Welt mit anderen Augen sehen werden. Ich wünsche mir, dass alle Frauen of Color, die dieses Buch lesen, danach wissen, dass sie sich das nicht alles einbilden. Ich glaube nicht, dass alle weißen Feminist:innen per se schlechte Absichten haben, aber viele weiße Frauen haben ihre eigene Mitschuld an unterdrückerischen, patriarchalen und kapitalistischen Strukturen noch nicht erkannt. Diesen Frauen zeigt Against White Feminism, wie sie ihre Handlungen und Überzeugungen hinterfragen und Teil eines größeren Gesprächs werden können.
Das Buch schimpft diese Frauen nicht aus, sondern lädt zu diesem Gespräch ein. Der Titel ist derart provokativ, weil wir routinierter darin werden müssen, über weiße Kultur, weißen Feminismus und Weißsein an sich zu sprechen. Stattdessen nehmen wir Weißsein oft als unsichtbare Norm wahr. Wir müssen lernen, auch sprachlich Unterschiede sichtbar zu machen, über Unterschiede zu diskutieren und uns trotz unserer Unterschiede miteinander zu verständigen, anstatt so zu tun, als gäbe es diese Unterschiede nicht.

Glauben Sie, dass Solidarität zwischen Frauen of Color und weißen Frauen möglich ist?
Ja. Aber wir befinden uns an einem wichtigen Punkt. Verschiedene Aspekte unseres Lebens haben sich in den letzten eineinhalb Jahren drastisch verändert. Weiße Frauen haben den Machtanspruch weißer Männer internalisiert, während sie für Gleichstellung mit diesen weißen Männern gekämpft haben. Wenn wir das jetzt nicht ansprechen, werden wir, nie wieder etwas daran ändern können. Weiße Frauen müssen sich bewusstmachen, wie stark Frauen of Color in den letzten Jahrzehnten übergangen wurden.
Ich beanspruche nicht, alle Lösungen zu kennen, aber ich bin bereit, die Person zu sein, die die Vorwürfe abbekommt. Es macht mir nichts aus, wenn Leute mich kritisieren, solange es ein Gespräch in Gang bringt.

Eine zentrale These in Ihrem Buch ist die Aufteilung von Frauen in weiße Retterinnen und andere Gerettete.
Eins der Kernprobleme im weißen Feminismus ist, dass er Schwarze, asiatische und andere Frauen of Color benutzt, um die weiße Frau als die ultimative Feministin darzustellen. In der aktuellen Situation in Afghanistan zum Beispiel sorgen sich weiße Menschen plötzlich um das Wohlergehen afghanischer Frauen. Aber der Westen hat Afghanistan 20 Jahre lang bombardiert. Afghanische Frauen brauchen nicht nur neue Schulen, sie brauchen auch ihre Familien. Diese Familien wurden getötet, und darüber spricht niemand. Ich finde es unehrlich und deprimierend, dass in den letzten Jahren kein Fortschritt erzielt wurde, der über „Oh nein, die Frauen dort müssen Burka tragen“ hinausgeht.

Die Antworten von Rafia Zakaria sind zusammengestellt aus Interviews mit dem Guardian von Nesrine Malik und der Los Angeles Times von Ruth Etiesit Samuel.

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