5 Fragen an ... Patrik Svensson

5 Fragen an ... Patrik Svensson

Ein Aal ist ein Aal ist ein Aal … Patrik, die einfachste Frage zuerst – warum ein Buch über Aale?
Weil Aale wirklich bemerkenswerte Tiere sind, denen man eine großartige Geschichte entlocken kann. Aber auch deshalb, weil ich glaube, dass der Aal – durch die Art, wie er lebt, wie er sich unserem Wissen entzieht, wie er an einem gewissen Punkt in seinem Leben unweigerlich zu seinen Ursprüngen zurück muss – uns etwas sehr Grundsätzliches über unsere eigenen Erfahrungen sagen kann, über die Bedingungen unseres Lebens. Aale machen es einem leicht, philosophisch zu werden, und ich bin überzeugt, dass es absolut möglich ist, einen wissenschaftlichen Zugang zur Welt zu haben und sich zugleich mit den großen, nicht so eindeutig zu beantwortenden Fragen zu beschäftigen. Über sie zu staunen.

Der Aal ist ein rätselhaftes Tier, und wir wissen erstaunlich wenig über ihn. Tatsächlich wissen wir so wenig, dass die sogenannte „Aal-Frage“ zu einem stehenden Begriff geworden ist für ein Phänomen, das sich unserer Erklärung entzieht. Wie bist du zur Aal-Frage gekommen – oder war es eher die Aal-Frage, die dich gefunden hat?
Sie hat tatsächlich mich gefunden, glaube ich. Als ich noch ein kleines Kind war und mit meinem Vater zum Aalfischen ging, in den vielen späten Sommernächten am Fluss, in denen mein Vater mir von der Sargassosee erzählte, jenem Meeresgebiet, aus dem alle Aale kommen. Das war ein geheimnisvoller, fast magischer Ort für mich, weit weg von allem, was ich mir vorstellen konnte. Genau dort hat eine Faszination begonnen, die bis heute anhält. Als ich viele Jahre später herausfand, dass es tatsächlich eine „Aal-Frage“ gibt, die im Grunde seit Jahrhunderten Teil der Wissenschaftsgeschichte ist, war es, als ob sich meine eigene Geschichte in etwas viel größeres einfügte.

Dein Buch ist ein außergewöhnlicher Mix aus Literatur, Wissenschaft, Geschichte und einer sehr persönlichen Erzählung über die Suche nach Antworten. Es leuchtet regelrecht vor überraschenden Querverbindungen zwischen Themen, die kaum jemand miteinander in Verbindung bringen würde. Wie bist du zu dieser Form gekommen?
Zuallererst weil ich mich für das Erzählen interessiere. Und ich bin draufgekommen, dass die Wissenschaftsgeschichte nur so wimmelt von guten Geschichten, wenn man statt „Was wissen wir?“ fragt: „Woher wissen wir das eigentlich?“ Und das trifft auf den Aal ganz besonders zu. Die Geschichte der Aale ist auch die Geschichte von bemerkenswerten Menschen, die für die Wissenschaft bemerkenswerte Anstrengungen unternommen haben. Sie ist die Geschichte eines menschlichen Drangs, der zu den beständigsten überhaupt gehört – den Drang, das Leben um uns herum zu begreifen, zu verstehen, wie die Dinge funktionieren und was unsere Rolle in dem Ganzen sein kann. Gleichzeitig wollte ich ein Buch schreiben, dem das ganze stilistische Repertoire der Literatur zur Verfügung steht – und das wissenschaftlich gesehen trotzdem adäquat ist. Diese Form war meine Art zu versuchen, die ganze Komplexität einzufangen, die nicht nur den Aal ausmacht, sondern auch die Natur, das Leben um uns herum.

Aristoteles dachte, Aale würden aus dem Schlamm geboren, Sigmund Freud war so frustriert darüber, dass er die unheimlichen Rätsel des Aals nicht lösen konnte, dass er dem Mikroskop den Rücken zukehrte und sich einem weniger greifbaren Feld widmete. Günter Grass macht den Aal zu einem der literarischen Schlüsselmotive der Blechtrommel, die Amerikaner haben ihn aus ihrem Gründungsmythos verbannt. Wie überrascht warst du, als du merktest, dass der Aal quasi überall ist?
Ich war tatsächlich überrascht darüber, wie viel Zeit und Aufwand Menschen wie Aristoteles, Freud und auch Rachel Carson darauf verwendet haben, den Aal zu verstehen. Ganz so, als hätte er die Wissenschaft vor Herausforderungen gestellt wie sonst kaum ein anderes Tier, Herausforderungen, die den klügsten Köpfen der Wissenschaftsgeschichte den Schlaf geraubt haben. Und gleichzeitig hat der Aal nicht wenige symbolische und metaphorische Auftritte in der Kulturgeschichte, etwa bei Grass. Das macht ihn für mich zu einem der erstaunlichsten Lebewesen, die sich da draußen finden lassen.

Und wenn du den Aal in einem Satz beschreiben müsstest, wie ginge der?
Ein Lebewesen so fremd, genau wie du und ich.

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