5 Fragen an ... Pascale Robert-Diard

5 Fragen an ... Pascale Robert-Diard

Sie erzählen die Geschichte aus der Perspektive des Sohnes, aus der Perspektive von Guillaume Agnelet, was Ihr Buch ganz besonders interessant macht. Wie sind Sie mit dem Sohn in Kontakt gekommen? War es Ihre Initiative oder seine? Wie ist es Ihnen gelungen, sein Vertrauen zu gewinnen?
Ich habe den Kontakt zu Guillaume Agnelet gesucht. Noch Wochen nach dem Prozess, nach der Verurteilung seines Vaters zu zwanzig Jahren Haft, hat mich die Zeugenaussage des Sohnes, der Paukenschlag, den sie bedeutete, nicht losgelassen. Ich wollte verstehen, was diesen 45-jährigen Mann dazu veranlasst hat, plötzlich sein Familiengeheimnis zu lüften, nachdem er so lange die Unschuld seines Vaters verteidigt hatte gegen den Vorwurf, Agnès Le Roux, die junge Erbin des Palais de la Méditerranée in Nizza, getötet zu haben. Ich habe einen langen Brief an Guillaume Agnelet geschrieben, er hat mir geantwortet. Weitere Briefe und Treffen folgten, und ich habe festgestellt, dass sich hinter der schillernden Affäre Le Roux, die zwischen Côte d’Azur, Casinos und der Mafia über Jahre das Land fasziniert hat, eine schreckliche Geschichte verbarg, hinter den verschlossenen Türen der Familie Agnelet. Aus einer Zeitungsnachricht war eine griechische Tragödie geworden, die symbolische Ermordung des Vaters durch seinen Sohn. Und diese Geschichte wollte ich erzählen.

Was hat die Aussage des Sohnes mit Ihnen persönlich gemacht? Und wie muss man sich die verschiedenen Reaktionen im Gerichtssaal vorstellen?
Ich arbeite schon lange als Gerichtsreporterin und habe viel Erfahrung mit der Grausamkeit von Geschworenengerichten. Nie zuvor aber war ich bei einer Verhandlung von derartiger Intensität dabei. Die Einsamkeit des Sohnes angesichts seines Vaters, den er beschuldigte, angesichts seiner Mutter und seines Bruders, die ihm widersprachen, hatte etwas Schwindelerregendes, das uns allen zu viel war. Allen Anwesenden, den Richtern, den Geschworenen, den Journalisten, dem Publikum ging es gleich. Bis hin zu den Anwälten der beiden Parteien, zwei berühmte Strafverteidiger, die an einem Punkt, und zwar beide gemeinsam, den Vorsitzenden baten, die Verhandlung, die inzwischen unerträglich geworden war, zu unterbrechen.

Gab es einen Moment, an dem Sie gedacht haben, dass es besser für Guillaume Agnelet gewesen wäre, weiterhin zu schweigen?
Beim Zuhören hatte ich das Gefühl, dass diese Aussage, mit der Guillaume Agnelet ein Familiengeheimnis zur Explosion brachte, direkt und öffentlich, eine Frage des psychischen Überlebens für ihn war. Er hatte nicht mehr die Wahl zu schweigen. Wie er selber sagt: „Geheimnisse bringen einen eher um als die Wahrheit.“

Maurice Agnelet hat das Verbrechen nie gestanden. Die Leiche von Agnès Le Roux wurde bis heute nicht gefunden. Bleiben für Sie Zweifel an der Schuld von Maurice Agnelet?
Für mich gibt es keinen Zweifel, dass Maurice Agnelet verantwortlich ist für den Tod von Agnès Le Roux und das Verschwinden ihres Körpers. Die Anklageschrift ist erdrückend für ihn. Aber es bleiben Zweifel, was die Umstände dieses Mordes angeht, denn selbst die Geständnisse, die Maurice Agnelet seiner Familie gegenüber gemacht hat, sind keine zuverlässigen Beweise.

Der Fall, die Affäre, der Prozess – ist das alles jetzt vorbei? Oder wird es eine Fortsetzung geben?
Nach 37 Jahren voller Rätsel und Wendungen ist der Fall nun definitiv abgeschlossen. Alle Einsprüche wurden abgewiesen. Es liegt eine gerichtliche Wahrheit vor. Maurice Agnelet wurde für den Mord – beziehungsweise die vorsätzliche Tötung – seiner Geliebten, Erbin des größten Casinos an der Côte d’Azur, im Oktober 1977 schuldig gesprochen. Maurice Agnelet ist 80 Jahre alt, und er wird bald aus dem Gefängnis entlassen werden. Er ist der Einzige, der die einfache Wahrheit kennt.

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