5 Fragen an ... Navid Kermani

5 Fragen an ... Navid Kermani

Lieber Herr Kermani, mit Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen haben Sie ein sehr persönliches Buch geschrieben. Warum lag es Ihnen am Herzen, die Gedanken, Erlebnisse und Erkenntnisse in diesem Buch zu Papier zu bringen?
Es war der Versuch, Antworten zu geben auf Fragen meiner Kinder, auf Fragen, die ich mir als Kind selbst gestellt habe, auf Fragen, die der Tod meines Vaters aufgeworfen hat. Und letztlich die Feststellung, dass die Antworten nur neue Fragen aufwerfen, und das ist ja eigentlich auch sehr schön, weil man dann nicht immer nur bei den alten Fragen klebenbleibt und dennoch sein Staunen bewahren kann.

Sie schreiben nicht nur vom Glauben, sondern auch vom Zweifel an Gott. Gibt es ganz spezielle Erlebnisse, die Sie zu Gott zurückfinden ließen?
Der Erzähler sagt, es gab Phasen in seinem Leben, da habe er an Gott gezweifelt. Und er berichtet auch von einem Erlebnis, der Frühgeburt der Tochter, das ihn zu Gott zurückzufinden ließ. Das ist in seiner Verdichtung wahrer und trifft mein eigenes Erlebnis tatsächlich auch besser, als wenn ich eine religiöse Autobiographie geschrieben hätte.

Was empfinden Sie, wenn in den westlichen Ländern, in den Nachrichten „der Islam“ pauschalisiert wird, im schlimmsten Fall sogar Islam mit Islamismus gleichgesetzt wird?
Ich mache mir mehr Sorgen über einen Islam, der so viele schlimme Nachrichten produziert, als über das Feindbild, das daraus entsteht.

Ein ganz zentrales Thema Ihres Buches ist die Mystik, speziell natürlich im Islam, aber auch in vielen anderen Religionen. Können Sie erläutern, was damit gemeint ist?
Das ist natürlich ein Riesenthema, und der Erzähler drückt sich immer ein bisschen davor, die Mystik zu erklären, bis ihn die Tochter endlich zu einer Definition zwingt. Für mich bedeutet es zunächst, dass in jedem Einzelnen, in jedem Lebewesen und jedem Augenblick und jeder Zelle alles ist und Gott also überall zu suchen wäre, auch und vor allem in dir selbst.

Ihr Buch ist ganz sicher ein Buch für Leserinnen und Leser jeden Alters. Warum wollten Sie dieses Buch auch und gerade für Jugendliche schreiben?
Ich mag es nicht, wenn Erwachsene sich herabbeugen, um Kindern etwas zu erklären, das ist eine fürchterliche Anmaßung, das hat bei meinen eigenen Kindern auch nie funktioniert. Sag, was du zu sagen hast, bemüh dich um Klarheit, und die Kinder, die Jugendliche nehmen sich schon, was sie gebrauchen können, manches jetzt, manches vielleicht auch später. Das wäre doch das Schönste, wenn jemand Gründe hat, das Buch später noch einmal neu und mit älter gewordenen Augen zu lesen. Jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen.

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