5 Fragen an ... Ljuba Arnautovic

5 Fragen an ... Ljuba Arnautovic

Ihr Roman Junischnee, wie schon Ihr Debütroman Im Verborgenen, basiert auf Ihrer Familiengeschichte. Wann haben Sie entschieden, über Ihre und die Geschichte Ihrer Vorfahren zu schreiben, liebe Frau Arnautovic?
Erst in meinen Fünfzigern. Da waren meine Großeltern und auch meine Eltern bereits verstorben – möglicherweise war diese Tatsache sogar hilfreich, weil ich keine Rücksicht zu nehmen hatte.

Kannten Sie die Geschichten schon aus Erzählungen oder haben Sie viel recherchiert? Wie können wir uns diese Vorarbeit vorstellen?
In meiner Familie wurde viel erzählt – immer wieder dieselben Geschichten. Um diese zu verifizieren, aber auch um das Nichterzählte aufzuspüren, habe ich jahrelang recherchiert. Das klingt nach viel Mühe, war es auch, aber es war auch aufregend. Dabei kam Unerwartetes zutage, Überraschendes – ich habe mehrere lebende Verwandte gefunden –, aber auch Schmerzliches, etwa als ich die Dokumente in den Händen hielt, die das traurige Ende meiner Urgroßeltern oder meines Onkels bezeugen.

Sie haben eine ganz besondere Art sehr distanziert über sehr persönliche Dinge zu schreiben, aus der Distanz den Menschen sehr nahe zu kommen. Wie würden Sie Ihren stilistischen Anspruch beschreiben?
Die Figuren im Roman sind nicht mehr meine realen Verwandten. Ich schreibe sie mir quasi „vom Leib“. Die nüchterne wie auch die empathische Betrachtung dieser Figuren – ihr Erleben, Handeln, Gefühle (die ich ihnen eigenmächtig zuschreibe) erlaubt es ihnen wie auch mir, ihre Komplexität zu wahren. Ich gestehe ihnen ihre Fehler genauso zu wie ihre Liebenswürdigkeiten. Zur Belohnung lassen sie mich nah an sich heran.

Gibt es auch Vorbilder?
Es gibt wunderbare Literatur – was für ein Glück! Meine Hochachtung davor ist so groß, dass ich mir nicht anmaße, sie mir – bewusst – zum Vorbild zu nehmen.

Nach dem Ende des Nichtangriffspaktes zwischen Hitler und Stalin hat Ihr Vater in Russland Schreckliches erlebt. Doch auch die Rückkehr ins Nachkriegswien gestaltete sich nicht einfach. Ist dieser Aspekt der Geschichte noch zu wenig aufgearbeitet?
Die Konfrontation mit ihren Opfern beschämt die Täter. Das Nachkriegs-Österreich verdrängt, beschönigt, verfälscht – im Persönlichen wie im Öffentlichen. Meist machen die Opfer dabei mit – auch sie wollen vergessen und möglichst rasch ein glückliches Leben führen. Aufarbeitung tut weh, aber sie heilt auch. Wenn sich eine Gesellschaft dazu bekennt, fällt es dem Individuum leichter. Und weil Verschwiegenes so lange stört, bis es einmal ausgesprochen wird, hätten auch die Ur-ur-Enkel noch was davon.

Interview: Bettina Wörgötter

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