5 Fragen an ... Katja Oskamp

5 Fragen an ... Katja Oskamp

Liebe Katja, wie kommt eine Schriftstellerin dazu, Fußpflegerin zu werden?
Schriftstellerin zu werden ist leichter als Schriftstellerin zu bleiben. Ich hatte eine Novelle geschrieben, die niemand drucken wollte. Das hat mich in eine Krise gestürzt. Ich wollte irgendetwas machen. Am liebsten etwas, das nichts mit dem Schreiben zu tun hat. In jener Zeit besuchte ich eine Freundin, die ein Kosmetikstudio eröffnet hatte, und erzählte ihr von meiner Lage. Die Freundin schlug mir vor, bei ihr als Fußpflegerin anzufangen. Ich bin ihrem Vorschlag gefolgt. Heute ist sie meine Chefin. Die Fußpflegerei war vom ersten Tag an eine aufregende Sache, die mir immer noch Spaß macht. Ich habe keine Berührungsangst. Es ist eine Arbeit mit beglückend deutlichem Vorher/Nachher-Effekt. Außerdem sind Füße reizvoll, denn sie sind am weitesten vom Kopf entfernt und doch mit ihm verbunden. Im Nachhinein würde ich sagen, es war eine Mischung aus Zufall, Neigung und Instinkt.

In deinem Buch porträtierst du die Menschen, die du behandelst, sozusagen von ihren Füßen her gesehen. Was sind das für Menschen?
Das sind meistens alteingesessene Marzahner, die viel zu erzählen haben. In ihren Biografien findet sich der berühmte Bruch, den viele Ostdeutsche erfahren haben. Dreißig Jahre nach der Wende sind das atemberaubende individuelle Schicksale geworden, die wiederum etwas eint: die Konfrontation mit Alter, Krankheit, Verlust. Meine Kunden sind mutig und tapfer und sie berlinern zauberhaft. Manche sächseln auch allerliebst. Die, denen es am schlechtesten geht, sind erstaunlicherweise die heitersten.

Es sind Menschen, die eher nicht vorkommen, wenn über das Land gesprochen wird, oder?
Sie sind nicht in Mode. Sie haben keine Lobby. Sie leben einfach ihr Leben. Wie die allermeisten von uns.

Es ist auch eine Liebeserklärung an Marzahn, ein Plattenbau-Viertel, das vor vierzig Jahren aus der Erde gestampft wurde. Damals stand es für einen Aufbruch in die Zukunft. Und heute? Kannst du Marzahn für alle Nicht-Berliner kurz erklären?
Nach der Wende wurde aus dem Aufbruch ein Abbruch und Marzahn stand bald für Unterschicht, Ghetto und Hartz IV. Inzwischen ist Marzahn längst besser als sein Ruf. Und obwohl es immer noch behauptet wird: Hier laufen keine Neonazis herum, hier werden auch keine Autoreifen zerstochen. Vieles funktioniert besser als zum Beispiel in Kreuzberg. Die Hausmeister sind freundlich, die BSR leert die Mülleimer bevor sie überquellen, die Grünanlagen sind gepflegt. Ich erlebe Marzahn als einen friedlichen und aufgeräumten Ort, fast ein bisschen dörflich.

Die Geschichten, die du erzählst, sind sehr komisch und zugleich sehr berührend. Ist das – das Komische und das Anrührende – das Wesen des Menschseins an sich?
Ob ein Mensch eine komische oder tragische Figur ist, liegt immer im Auge des Betrachters. In unserem Marzahner Studio kommt es zu sehr lustigen und zu sehr ergreifenden Szenen, manchmal alles gleichzeitig. Aus diesem Blickwinkel erzähle ich die Dinge, weil sie sich mir so zeigen.

Marzahn, mon amour ist auch ein Buch über die mittleren Jahre im Leben einer Frau. Hast du einen Tipp, wie man gut auf der anderen Seite dieser Jahre hinauskommt?
Nicht andauernd in den Spiegel blicken, lieber andere Leute anschauen. Täglich die Füße eincremen. Und in Abständen einen zwitschern. Genaueres weiß ich auch nicht.

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