5 Fragen an ... Karin Wieland

5 Fragen an ... Karin Wieland

Liebe Karin Wieland, in „Das Geschlecht der Seele“ bringen Sie den Berliner Kommunisten Brecht und den Wiener Geistesaristokraten Hofmannsthal zusammen. Wie kam diese Verbindung zustande?
Für mich sind beides Namen, mit denen sich jeweils eine eigene künstlerische Welt verbindet. Der eine scheint das ausgehende 19., der andere das aufbrechende 20. Jahrhundert zu repräsentieren. Mit diesen Namen verbindet sich ein Leben, eine künstlerische Kraft und ein Geschlechterverhältnis. Über die Frau auf der Bühne habe ich das Sprachspiel Hofmannsthals mit dem Sprachspiel Brechts verbunden. Der Vergleich zeigt, was für eine Revolution der Gefühle in den ersten dreißig Jahren des letzten Jahrhunderts stattgefunden hat. Darüber sind wir noch lange nicht hinaus.

Sind sich Hugo von Hofmannsthal und Bert Brecht begegnet?
Von einer persönlichen Begegnung ist nichts bekannt, aber ihre Wege haben sich gekreuzt. Hofmannsthal gehörte dem Unterstützerkreis des Kleist-Preises an, der 1922 Brecht zugesprochen wurde. Brecht hat als junger Theaterkritiker in Augsburg über eine "Jedermann"-Inszenierung geschrieben. Hofmannsthal hat er darin nicht erwähnt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er eingeladen, für die Salzburger Festspiele ein Stück zu schreiben, das Hofmannsthals "Jedermann" ersetzen sollte. Das handelte ihm großen Ärger ein und es kam nie dazu. Hofmannsthal, der in den 20er Jahren wie eine aus der Zeit gefallene Marionette wirkte, erkannte Brechts dichterischen Rang. Brecht, auf dem Weg zu einer neuen Kunst, interessierte das wenig.

Mit welchen Materialien haben Sie gearbeitet?
Vorrangig mit den Tagebüchern und den Briefen. Da liegen die Gefühle bloß zutage. Hier ist genau zu verfolgen, wie die Beziehungen zustande gekommen sind, die den Figuren auf der Bühne zugrunde liegen.

Sie beschreiben das Theater des frühen 20. Jahrhunderts als soziales Laboratorium. Funktioniert das heute noch?
Das stimmt mehr denn je. Ob Dramatik oder Postdramatik die Frage der gesellschaftlichen Darstellung ist ohne die Frage der theatralischen Darstellung nicht zu denken. Die Gesellschaft der Zerstreuung sucht die Verdichtung und findet sie auf der Bühne.

Ihre Lieblingsschaupielerinnen in der Gegenwart?
Isabelle Huppert, Nina Hoss. Schauen Sie sich "Elle" an oder gehen Sie in die Berliner Schaubühne in "Bella Figura", dann wissen Sie, was ich meine.

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter
Newsletter