5 Fragen an ... Karen Köhler

5 Fragen an ... Karen Köhler

Karen Köhler über ihr erstes Kinderbuch »Himmelwärts«.

Liebe Karen, was hat dich dazu inspiriert, »Himmelwärts« zu schreiben?
Seit 2008 schreibe ich regelmäßig fürs Kinder- und Jungendtheater. Damit habe ich nicht aufgehört, auch wenn 2014 mit »Wir haben Raketen geangelt« mein erstes Buch für Erwachsene erschienen ist. »Himmelwärts« war zuerst ein Theaterstück, ein Auftragswerk für das Junge Theater Ingolstadt. Das Theater kam auf mich zu, ob ich mir vorstellen könnte, ein Stück zum Thema Kosmos für sie zu schreiben. Ich so: Kosmos? Ja! Hier! Sofort! Es war gerade Pandemiebeginn und ich hatte bei ausgefallener Lesereise viel Zeit zum Nachdenken. Beim Recherchieren bin ich auf ein Programm der NASA gestoßen, das Mädchen beibringt, selbst ein Radio zu bauen und damit zur ISS zu funken. Damit hatte ich das Grundsetting gefunden. Dazu webte ich eine tiefere Ebene: Dass es um Trauer geht, dass Toni ihre kürzlich verstorbene Mutter erreichen will, von der alle behaupten, sie sei jetzt im Himmel. Weil Toni nämlich Komplettvermissung hat. Ich plottete das Theaterstück einmal durch, schrieb die ersten Szenen. Dann, Monate später, verrückt, wie es manchmal ist, bekam mein Vater aus dem Nichts eine unheilbare Krebsdiagnose und das bis dahin fiktive Thema wurde auf einmal autobiografisch. Zwischen dem Termin beim Arzt und seinem Tod lagen vier Monate. Ich habe ihn pflegend beim Sterben begleitet. Mit der Astronautin Suzanna Randall hatte ich in der Zeit Kontakt aufgenommen, das Theater arrangierte ein Zoom mit der Zielgruppe und der Astronautin, viele der Fragen im Text stammen tatsächlich von Kindern aus diesem Gespräch. Direkt nach Papas Tod habe ich in nur drei Wochen die erste Fassung des Theaterstücks geschrieben. Das Theater und seine Gewerke warteten bereits dringend auf den Text. Ich hatte die Deadline wegen Papas Deadline (haha) mehrmals verschoben.

»Himmelwärts« war zunächst ein Kindertheaterstück, das bereits aufgeführt wurde. Was hat dich gereizt, daraus einen Kinderroman zu machen?
Ich wollte eigentlich gar keinen Kinderroman aus dem Theaterstück machen, hatte auch keine Ambitionen, Kinderbuchautorin zu werden, aber dann hatten Jo Lendle und Saskia Heintz vom Hanser Verlag mein Theaterstück gelesen und ich bekam einen Liebesbrief, von wegen: Bitte mach mit uns ein Buch aus »Himmelwärts«. Erst dann hab ich überlegt, wie ich das eigentlich machen würde, aus dem Dialog einen Langtext zu bauen, das ist ja eher der ungewöhnliche Weg für eine Adaption. Mir war wegen meiner eigenen Trauersituation sofort klar, dass ich – anders als im Theaterstück – aus Tonis Perspektive erzählen wollte. Mich beschäftigte zu der Zeit der Aspekt, wie ich mich an meinen Vater gut erinnern könnte. Ich habe (noch immer) Angst, Teile von ihm zu vergessen. So kam mir die Idee mit Tonis Notizbuch, in das Toni alle Erinnerungen an ihre Mutter aufschreibt, um sie nicht zu vergessen. Das Magische am Schreiben ist ja, dass nicht nur ich den Text schreibe, sondern der Text auch mich schreibt. Tonis Tonfall war sofort da. Den gab es ja auch schon im Theaterstück. Ich konnte ihn einfach ausdehnen und reinschlüpfen und fühlte mich in der Figur sofort geborgen. Das Buch ist tatsächlich ein Herzstück von mir geworden.

Welche Themen oder Aussagen in »Himmelwärts« sind dir besonders wichtig?
»Himmelwärts« ist ein Buch über Freundinnenschaft, die durch Krisen trägt. Es ist ein Buch über das Trauern, aber es ist nicht von Schwere geprägt, sondern von Tonis Versuch, ihre Vermissung zu verkraften, das hat durchaus komische Aspekte. Es ist ein Buch, das Grenzen überwindet. Ein Buch, in dem Kinder wirklich wichtige Fragen stellen. Über den Kosmos, wo wir herkommen, über das, was nach dem Tod kommt, über Liebe und Familie und wie unterschiedlich die sein kann. Es ist ein Buch, das Mädchen die Gestaltungskraft ganz selbstverständlich in die Hände legt. Es ist ein Buch über die Kunst und den Trost des Snackens. (Sehe innerlich schon die Mails von Prof. Dr. Emeritus vor mir: »Frau Köhler, wie können Sie Süßigkeiten so verherrlichen! Wissen Sie nicht, wie schädlich sich Zucker auf die Gehirne von Zehnjährigen auswirkt ...«).
Wenn ich mit befreundeten Kindern über den Tod spreche, dann ist das sehr natürlich. Die allermeisten Erwachsenen leben aber so, als gäbe es den Tod nicht, und sind dann, wenn sie damit in Berührung kommen, vollkommen geschockt, dass auf der anderen Seite der Gleichung von Geburt eben – fette Überraschung – der Tod steht. Wir können unser Ende vielleicht nicht immer mitdenken, aber ein Durchschimmern des Bewusstseins in unseren Handlungen, dass Lebenszeit endlich ist, täte uns allen ganz gut. Ich denke mich oft vom Tod ausgehend. Das macht manche Entscheidungen einfacher, und das Erleben von Zeit auch kostbarer. Toni vergleicht Lebenszeit mit einer Lakritzschneckenschnur, auf die du Erlebnisperlen fädeln kannst. Sie sagt am Ende, dass sie keine Hätte-ich-doch-Perlenkette um den Hals baumeln haben will.

Du bist eine erfolgreiche Romanautorin und Dramatikerin, »Himmelwärts« ist dein erstes Kinderbuch. Spielt das eine Rolle beim Schreiben?
Es geht mir beim Schreiben immer um alles. Egal, wie alt meine Zielgruppe ist. Es soll immer der mir bestmögliche Text rauskommen. Ich bin der Behauptung auch echt müde, Kinder- und Jugendliteratur sei eine unliterarischere Gattung. Gähn. Unterfordern und die Intelligenz der Lesenden unterschätzen kann auch Erwachsenenliteratur von arrivierten Autor:innen. Da gibt es kein Abonnement auf »interessant«. Hingegen scheiben zum Beispiel Finn Ole Heinrich, Dita Zipfel, Saša Stanišić oder John Green sehr gute, sehr literarische Texte für eine junge Zielgruppe.

Welche Rolle spielt die Illustration von Bea Davies?
Bea war meine Wunschillustratorin. Ich habe mich mit »Brummps« in ihre Arbeit verknallt. Zum Glück war Hanser sofort einverstanden. Es lief hier ganz klassisch: Es gab den fertigen Text, den Bea Davis dann illustriert hat. Bea, solltest du das jemals lesen: Ich möchte bitte noch viele Bücher mit Dir machen, noch viel mehr zusammen entwickeln. Danke für Deine fantastische Arbeit!

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