5 Fragen an ... Julia Korbik

5 Fragen an ... Julia Korbik

Liebe Julia Korbik, Dein letztes Buch handelt von Simone de Beauvoir, nun schreibst du über Françoise Sagan – woher stammt deine Liebe zur französischen Literatur?
Meine Liebe zur französischen Literatur resultiert aus meiner Liebe zu Frankreich. Während meines Studiums in Frankreich habe ich angefangen, mehr zeitgenössische französische Literatur zu lesen – vor allem Autorinnen wie Virginie Despentes, Delphine de Vigan und Marie NDiaye. Besonders beeindruckt und geprägt hat mich neben Simone de Beauvoir auch Simone Veil: Ihre Autobiografie Und dennoch leben, in der sie unter anderem von ihrer Deportation nach Auschwitz berichtet, erschien kurz nachdem ich mein Studium in Frankreich begonnen hatte. Was soll ich sagen: Die Simones haben es mir offenbar sehr angetan! Und jetzt auch Françoise.

Was hat dich an der großen Schriftstellerin und der ewigen Kindsfrau Françoise Sagan besonders interessiert?
Die Wahrheit ist, dass ich eigentlich nur Bücher schreibe, um selbst mehr über bestimmte Themen und Menschen zu erfahren. Über Françoise Sagan wusste ich, bevor ich mit meiner Recherche begonnen habe, gar nicht so viel. In den Artikeln, die ich über sie gelesen hatte, wurde sie oft recht eindimensional dargestellt. Entweder war sie ein inspirierendes Vorbild, eine moderne und erfolgreiche junge Frau, die genau so lebte, wie sie wollte. Oder sie war eine tragische Figur, die drogensüchtig, krank und verarmt starb und in ihrem Leben nur einen wirklich guten Roman geschrieben hat: Bonjour Tristesse. Mich hat interessiert, was hinter der „Françoise Sagan“-Fassade steckt. Mit Bonjour Tristesse wurde sie ja sehr plötzlich in die Öffentlichkeit katapultiert, und ich wollte wissen, was das mit ihr gemacht hat. Sie musste immer darum kämpfen, die sein zu dürfen, die sie war und als die sie sich selbst sah. Sie wollte aufgrund ihrer Arbeit bewertet werden, nicht aufgrund ihrer Lebensweise.

Dein Buch ist keine klassische Biographie, denn du schreibst vor allem über Sagans Leben in den 50er Jahren nach dem Erscheinen von Bonjour Tristesse. Warum dieser besondere Fokus?
Die 1950er waren für mich auch aus feministischer Sicht interessant: Frauen durften wenig und mussten viel. Ihre Rolle war sehr klar definiert: Sie sollten sich um den Haushalt und die Kinder kümmern. Gleichzeitig waren mehr Frauen als vor Beginn des Krieges berufstätig, oft auch weil sie Geld verdienen mussten. Zeitschriften wie die Elle erkoren junge, urbane, berufstätige Frauen zur neuen Zielgruppe. Die 1950er waren also eine Zeit, in der die Geschlechterrollen einerseits noch sehr rigide waren – andererseits zeigten sich bereits kleine Fissuren im gesellschaftlichen Geschlechtergefüge. Sagan wagte bereits damals einen eigenen Lebensentwurf, stieß damit aber durchaus auch an ihre Grenzen. Oft rieb sie sich an sich selbst, scheiterte. Das hat mit der damaligen Zeit zu tun, aber auch mit ihr als Person.

All deine Bücher kreisen mehr oder weniger explizit um das Thema Feminismus. Was können wir in dieser Hinsicht von Sagan lernen?
Sagan war, das muss man ganz klar sagen, keine Feministin. Das hätte auch nicht wirklich zu ihr gepasst: Sie war eine überzeugte Individualistin und wollte sich in keine Schublade stecken lassen. Sie hat sich nie dazu hinreißen lassen, Position zu beziehen, sich für oder gegen etwas auszusprechen, nur weil alle anderen es tun oder weil es von ihr erwartet wird. Das ist etwas, was wir uns von ihr abschauen können, gerade heute, in unserer schnelllebigen Social-Media-Welt, wo die Empörung rasch hochkocht und man sich zu Kommentaren und Äußerungen hinreißen lässt: Genau zu überlegen, welche Anliegen man wie am besten unterstützen kann.
Was Sagan auch zeigt, ist, wie wichtig es ist, tatsächlich feministisch zu handeln. Ich habe heutzutage manchmal den Eindruck, dass „Feminismus“ zu einem beliebigen Etikett verkommen ist, das sich jede oder jeder anheften kann – selbst eine Ivanka Trump. Umso wichtiger ist es, den Begriff weiterhin mit Inhalt zu füllen und vor allem konkret etwas für Gleichberechtigung zu tun. Sagan waren Etiketten egal. Ihr war wichtig, dass etwas getan wird und was getan wird.

Um das Leben und Schaffen von Sagan zu rekonstruieren, musstest du sicher viel recherchieren. Kam es dabei auch zu Überraschungen, zu Funden, mit denen du selbst nicht gerechnet hättest?
Ich war überrascht, wie widersprüchlich Françoise Sagan war und wie kompliziert ihre Beziehung zum Ruhm: Sie hat sehr bewusst ein bestimmtes Image gepflegt – und sich dann darüber geärgert, auf eben dieses Image reduziert zu werden. Am meisten überrascht hat mich aber, wie fundamental melancholisch und einsam sie war. Wie sehr sie sich in sich selbst gefangen fühlte. Eine besonders tolle Überraschung war es, Sagans Bücher und Texte noch einmal zu lesen und zu merken, wie wunderschön sie geschrieben sind. Sie alle schaffen eine ganz besondere Atmosphäre, ziehen einen hinein in diese saganesque Welt aus enttäuschter Liebe, Verrat und mondäner Einsamkeit.

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