5 Fragen an ... Judith W. Taschler

5 Fragen an ... Judith W. Taschler

Liebe Judith W. Taschler, Über Carl reden wir morgen ist ein großer, drei Generationen umspannender Familienroman. Woher kam die Idee zu diesem Roman?
Die Idee „stammt“ aus der Vergangenheit meiner Herkunftsfamilie, ich habe als Kind gerne meinen Tanten zugehört, wenn sie von früheren Zeiten erzählt haben. Die Handlung beginnt im Jahr 1828, als die nicht einmal achtzehnjährige Rosa Brugger vom Mühlviertel nach Wien geht, um dort als Dienstbotin für eine adlige Familie zu arbeiten, und endet im Sommer 1922 mit Eugen Brugger, der unschlüssig ist, ob er in die Staaten zurückkehren oder in der Heimat bleiben soll.

Gibt es Parallelen zwischen der Familie Brugger und Ihrer eigenen Familiengeschichte?
Mein Urgroßvater Alois Wögerbauer diente zehn Jahre lang als Margast bei der k u. k Marine; eine der Hauptfiguren im Buch – Albert Theodor Brugger – tut dies zwölf Jahre lang. Mein Großvater Heinrich hatte einen Zwillingsbruder – Eugen –, die beiden waren kaum auseinanderzuhalten, so ähnlich sahen sie sich. Eugen ging für zehn Jahre nach Milwaukee, 1920 kam er nach Hause, weil sein Vater im Sterben lag. In die Staaten ging er nicht mehr zurück, obwohl er dort eine sehr gut bezahlte Stelle im bekannten Pabst Theatre und obendrein eine Freundin hatte. Die junge Frau schrieb ihm jahrelang Briefe, wir haben immer noch ihr Foto. Eugen war zeitlebens der „bessere“ Knecht im Haus seines Zwillingsbruders. Wir haben oft gerätselt, warum er geblieben ist.
In meinem Roman liefere ich quasi eine Erklärung dafür, das Ganze ist aber rein fiktiv. Lediglich die Eckpunkte – das Leben in einer Mühle; einer will die Welt sehen und dient deshalb in der k u. k Marine; ein anderer will auswandern und kehrt dann doch wieder in die Heimat zurück – entsprechen der Realität. Mir ging es nicht um die Dokumentation des Lebens meiner Vorfahren, was das betrifft, hätte ich auch zu wenig darüber gewusst. Es war und ist mir wichtig, im Schreibprozess völlig frei zu sein, und das kann ich nur in der Fiktionalisierung. Ich mag beim Schreiben nicht gebunden sein an Faktizität, es würde mich einengen und das Endprodukt wäre für die Leserinnen und Leser vermutlich langweilig. Einen Teil der Geschichte habe ich in meiner Heimat, dem Mühlviertel, angesetzt, die Geschichte könnte allerdings überall, in jedem kleinen Dorf, spielen, sie ist in dem Sinn nicht ortsgebunden. Aber es fällt mir leichter von etwas zu schreiben, das ich kenne bzw. zumindest einmal gesehen habe.

Haben Sie für Ihren Roman sehr viel recherchiert, wie können wir uns die Vorarbeiten vorstellen?
Dem Roman geht sogar sehr viel Recherche voraus. Bevor ich zu schreiben angefangen habe, habe ich mehrere Bücher über Auswanderung gelesen, auch über den Ersten Weltkrieg und über das europäische 19. Jahrhundert, unter anderen Stefan Zweigs „Die Welt von Gestern“. Und während des Schreibens muss ich natürlich immer wieder etwas nachlesen, wenn etwas schnell gehen muss, auch im Internet.

Haben Sie eine Lieblingsfigur im Roman?
Meine Lieblingsfiguren sind definitiv die Frauen, vor allem Rosa und Anna. Sie haben kein leichtes Los und machen eine erstaunliche Entwicklung durch. Rosas Erwartung an ein besseres Leben in der Großstadt wird bitter enttäuscht und dennoch ist sie es, die nicht aufgibt und im Haushalt des Bruders „ihren Mann steht“. Anna ist zu Beginn der Handlung eine naive verträumte Siebzehnjährige, die sich nicht für viel mehr als Mode interessiert. Dreieinhalb Jahrzehnte später ist sie eine willensstarke Frau, die sich – entgegen der allgemeinen Begeisterung – klar gegen den Krieg positioniert und alles tut, um ihre Familie gut über diese schwierige Zeit zu bringen.

Werden wir je erfahren, wie es mit Carl und Eugen weitergeht?
Ich spiele mit dem Gedanken eine Fortsetzung zu schreiben. Und ja, eigentlich wächst der Gedanke und nimmt konkrete Gestalt an.

Interview: Bettina Wörgötter

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