5 Fragen an ... Hugh Aldersey-Williams

5 Fragen an ... Hugh Aldersey-Williams

Er entwickelte die Wellentheorie des Lichts, erfand den Mechanismus der Pendeluhr und entdeckte die Ringe des Saturn – mit einem Teleskop, das er selbst gebaut hatte. Lieber Hugh, Ihr Buch Die Wellen des Lichts widmet sich einem Genie, das weithin in Vergessenheit geraten ist, obwohl seine Beiträge zu unserem Verständnis der Welt revolutionär waren – wer ist dieser Christiaan Huygens?
Christiaan Huygens war schlicht der größte Wissenschaftler in der Epoche zwischen Galileo und Newton – zwei Männer, die jeder kennt. Huygens‘ Verdienste waren weitreichend und erstreckten sich gleichermaßen auf Erfindungen, Beobachtungen, Entdeckungen, Experimente und Anstrengungen im Bereich der sozialen Netzwerke der Wissenschaften. Er sollte deutlich bekannter sein, als er ist!

Ihr Buch ist dennoch keine einfache Biographie. Huygens bildet hier das Zentrum eines lebendigen Porträts seiner Ära, des sogenannten Goldenen Zeitalters, das ausgehend von den Niederlanden den gesamten europäischen Kontinent des 17. Jahrhunderts in bahnbrechender Weise prägte. Warum ist diese Zeit so wichtig?
Es wäre unmöglich (und langweilig) gewesen, die reiche Zeit, in der Huygens lebte und arbeitete, außen vor zu lassen. Wissenschaft findet, wie alles andere, in einem kulturellen Kontext statt, und dieser Kontext ist gerade im Fall Huygens ganz zentral. Sein Vater Constantijn unterhielt weitreichende soziale Verbindungen als Diplomat, und diese ermutigten Christiaan, sich mit anderen führenden Mathematikern, Physikern und Astronomen zu vernetzen, ja, sie öffneten ihm oft erst die Tore. Und die wissenschaftliche Neugier seines Vaters dürfte den Sohn ebenfalls inspiriert haben. Christiaan gelang es daher, ein regelrechtes Netzwerk an europäischen Korrespondenten und Kollegen zu spannen und auf diese Weise die neuen Möglichkeiten, die der blühende Handel und die gute Wirtschaftslage mit sich brachten, auch für die Wissenschaften zu nutzen.

Descartes, Newton, Spinoza, Fermat, Pascal, Rembrandt – das sind nur ein paar der zahllosen illustren Wissenschaftler, Künstler und Philosophen, die zu Huygens‘ Kreis gehörten. Was ist von diesem lebendigen Netzwerk erhalten geblieben?
Ich würde auf jeden Fall noch Gottfried Leibniz in die Liste aufnehmen, den Huygens in Mathematik unterrichtete (bevor dieser ihn dann mit seinem mathematischen Talent in den Schatten stellte und die Infinitesmalrechnung erfand …)! Wissenschaftlicher Fortschritt baut immer auf der Arbeit der Vorgänger auf, er basiert darauf, dass Theorien angezweifelt und getestet, dass experimentelle Ergebnisse überprüft werden. Christiaan zum Beispiel wuchs als Cartesianer heran, musste aber erfahren, dass seine Beobachtungen ihn dazu zwangen, einige von Descartes Grundannahmen zu überdenken. Manchmal können die einzelnen Fäden auch nicht so rasch zusammengezogen werden, wie man hoffen würde – Huygens‘ Wellentheorie des Lichts und sein Konzept der Zentrifugalkraft zum Beispiel wären eine ideale Ergänzung zu Newtons Ideen zu Licht und Kraft gewesen. Bis es dazu kam, sollte es allerdings dauern. All diese Männer können uns heute auf jeden Fall in Erinnerung rufen, dass Menschen von Natur aus vielbegabt sind – Descartes und Spinoza waren Philosophen, die mit Optik experimentierten; Newton war Parlamentsmitglied und Beamter; Fermat war Richter, Pascal Priester; viele niederländische Maler nutzten optische Technologien für ihre Arbeit – und vieles mehr! Diese Vielschichtigkeit hatte einen großen Anteil daran, dass ich ein Buch über diese Epoche schreiben wollte.

Jeder kennt Newton und Descartes. Huygens war es jedoch, der die wissenschaftliche Community seiner Zeit zusammenhielt. Wie kommt es, dass wir ihn heute trotzdem erst aus den Tiefen der Geschichte bergen müssen?
Ich glaube, dass wir dem Mythos des einsamen Genies, das auf seinem Dachboden allein und abgeschieden Wunder vollbringt, verfallen sind. Außerdem scheinen wir Nationalhelden zu brauchen – Newton für die Briten, Descartes für die Franzosen (auch wenn er wenig Zeit in Frankreich verbracht hat). Bei Huygens liegt der Fall anders – die Niederländer sehen ihn nicht in dieser Rolle, weil er die meiste Zeit in Paris arbeitete, die Franzosen wiederum haben ihn vergessen, obwohl er die Académie des Sciences leitete. Die internationalen Netzwerker, die Vermittler, die institutionellen Bürokraten werden oft vergessen, obwohl sie unverzichtbar sind. Ein vielleicht noch eindrücklicheres Beispiel dafür mag Sir Henry Oldenburg sein, der als Sekretär der Royal Society in London unermüdlich redigierte, übersetzte, wissenschaftliche Korrespondenzen in seinem Netzwerk zirkulieren ließ und Streitigkeiten zwischen wissenschaftlichen Rivalen schlichtete.

Was verdanken wir also Christiaan Huygens – und was auf der Welt wäre heute anders ohne ihn?
Für mich ist Christiaan Huygens ein frühes Beispiel eines professionellen Wissenschaftlers. Er verfolgte diverse Disziplinen – Mathematik, Physik, Astronomie, aber er driftete nie in die zweifelhaften Gefilde der Pseudowissenschaften oder Theologie ab, anders als viele seiner Zeitgenossen. Huygens‘ Entdeckungen wären bis heute zweifellos von anderen gemacht worden, aber sein Grad an Professionalität und seine internationale Ausrichtung – man muss bedenken, dass er seine Kollaborationen in England und Frankreich auch dann noch aufrechterhielt, als diese Länder sich im Krieg mit der Niederländischen Republik befanden! – können uns heute noch ein Vorbild sein.

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