5 Fragen an ... Hannah Mumby

5 Fragen an ... Hannah Mumby

Liebe Hannah, Sie verbringen einen Großteil Ihrer Arbeitszeit mit Feldarbeit, liegen auf der Lauer und beobachten Elefantenherden, um besser zu verstehen, wie sie leben, wie sie Familienbande knüpfen, wie sie denken und empfinden. Was fasziniert Sie an den Tieren?
So war es vor Covid-19, ja – gerade fehlt mir die Zeit mit den Elefanten sehr! Ich glaube, ich hatte mich selbst nie für den Typ Mensch gehalten, der sich sozusagen Hals über Kopf in die Lebewesen verliebt, die er wissenschaftlich untersucht. Auch wenn es heute schwer vorstellbar ist, ich war anfänglich sehr distanziert. Ich hielt Elefanten wegen einiger ihrer extremen Eigenschaften, wie etwa ihrer Körpermasse und ihrer Lebensdauer, schlicht für ein interessantes biologisches Modell. Wenn man sich allerdings die Zeit nimmt, Elefanten wirklich zu beobachten – und damit meine ich, das eigene Tempo an ihren langsamen Herzschlag anzupassen – kann man so viel Besonderes finden. Die drahtigen Haare an ihrem Kinn, die Art, wie sie ihre Rüssel schwingen und schnellen lassen, um das Gras, das sie fressen, vom Staub zu befreien. Diese Beobachtungszeit ist so produktiv für mich, weil ich währenddessen Ideen entwickle und – und auch das ist wichtig – aus dem Gedankenkarussell austeigen kann, das viele Menschen kennen und das es uns letztlich erschwert, das eigene Leben wirklich zu erleben – von einem Leben eines anderen Lebewesens ganz zu schweigen.

Sie sind Professorin in Hongkong und Sie sind sowohl auf Verhaltensbiologie als auch auf Konservation spezialisiert. Warum ist es wichtig, diese beiden Bereiche miteinander zu verbinden?
Ich bin völlig unverhohlen das, was man eine Anhängerin der angewandten Wissenschaften nennt. Abstrakte Forschung ist etwas Wunderbares. Aber Spezies wie Elefanten geben uns die Möglichkeit, angewandte Forschung zu betreiben, für die man Menschen leicht begeistern kann. Ich muss ihnen meine Arbeit nicht verkaufen. Jeder, mit dem ich spreche, von meinem Friseur (der mich vielleicht auf den Arm nimmt) bis zu meinen Nichten (die mich sicher nicht auf den Arm nehmen), interessiert sich in der ein oder anderen Weise für den Artenschutz. Und der Weg dorthin führt meist über ein Lebewesen, das wir seit unserer Kindheit kennen und lieben. In meiner Arbeit versuche ich mich auf die Bereiche zu konzentrieren, an denen sich Forschungsfragen und Probleme des „wirklichen Lebens“ treffen. Zum Beispiel: Wie organisieren junge Elefantenbullen ihre sozialen Hierarchien, wenn sie ihre angestammten Herden verlassen – und welche von ihnen beginnen, Erntefelder zu plündern? Das sind Fragen, an denen ich gerne arbeite.

Viele Tierarten sind in den vergangenen Jahrzehnten ausgestorben, so viele, dass der Begriff des „sechsten Sterbens“ leider auch jenseits wissenschaftlicher Kreise bekannt geworden ist. Wie schätzen Sie die Lage der Elefanten ein?
Die Zahl der Elefanten ist dramatisch zurückgegangen, durch alle Arten hindurch. Diese Formulierung, die wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerne verwenden, täuscht darüber hinweg, dass sich ein handelndes Subjekt hinter der Aussage verbirgt. Wir sollten uns klarmachen, dass menschliche Aktivitäten, etwa die Verkleinerung der Lebensräume der Elefanten, die Hauptursache für diesen Rückgang sind. Dennoch ist es global gesehen kein einheitliches Bild. In manchen Gebieten geht es den Elefanten gut, die Zahlen steigen zum Teil sogar. Deswegen habe ich mich in meinem Buch auch bemüht, verschiedene Orte zu zeigen und deutlich zu machen, dass es nicht überall düster aussieht und dass es viele Menschen gibt, die sehr hart für die Zukunft der Elefanten arbeiten. Außerdem hoffe ich auch, dass wir Elefanten und ihr Schicksal besser begreifen können, wenn es uns gelingt, einzelne Individuen und ihre Geschichten zu verstehen. Ähnlich wie es uns auch leichter fällt eine Verbindung zu einem Menschen mit einem Namen und einer Geschichte herzustellen als zu abstrakten Zahlen.

In Ihrem Buch schreiben Sie mit einem gewissen Augenzwinkern, dass Sie sich durchaus mit einem Elefanten identifizieren können. Rachel Carson, die große Ökologin, ist berühmt für ihren sehr persönlichen Zugang zur Natur und Wissenschaft. Warum, glauben Sie, ist ein solch emotionaler Aspekt wichtig – vor allem vor dem Hintergrund, dass die meisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor jeder Form von Identifikation oder Anthropomorphismus zurückschrecken?
Ja, natürlich ist das nicht immer wörtlich zu verstehen; Elefanten sind eindeutig cooler als ich. Aber im Ernst, ich denke dieser Ansatz illustriert, dass „die Verhaltensbiologie der Elefanten“ eine Verallgemeinerung ist und sich in Wirklichkeit aus dem Verhalten und den Leben zahlreicher Individuen speist, von denen jedes einzigartig ist. Ich kann mich nicht mit Rachel Carson vergleichen, das würde ihrem bahnbrechenden Werk nicht gerecht. Aber ich kann sagen, dass ein Großteil der Freude, die ich bei der Arbeit an diesem Buch empfunden habe, daher rührte, dass ich mit so etwas wie Gefühl und Menschlichkeit schreiben durfte. Ich halte es für eine Einschränkung (die sicherlich auch ihre Berechtigung hat), dass nur etwa fünf Prozent dessen, was wir bei der Feldarbeit erleben, Eingang in unsere wissenschaftlichen Aufsätze findet. Ich kann nicht darüber schreiben, dass ich zusehen musste, wie Mistkäfer meine kostbaren Dungproben wegrollten – die ich wiederum nicht anfassen durfte, weil ich Angst hatte, ich könnte den Elefanten, der sie hinterlassen hatte, verschrecken. In der Wissenschaft gilt das im besten Fall als irrelevant, im schlimmsten als bizarr. Aber ich glaube, solche Geschichten haben ihren Wert, wenn wir uns die Frage stellen, warum wir für den Schutz eines Lebewesens eintreten sollten. Insgesamt habe ich in meinem Buch keine bewusste Entscheidung getroffen, mich in einer bestimmten Weise zu präsentieren; ich war immer schon ein Mensch, der forscht, und diesmal habe ich es durchscheinen lassen.

Und ein leichteres Thema zum Schluss – können Sie uns eine kuriose Geschichte aus Ihrer Feldarbeit erzählen?
Da gab es einige Momente! Aber lassen Sie mich ein Beispiel herausgreifen. Wir waren in Südafrika, es war heiß, heiß, heiß, über fünfunddreißig Grad, und nach einer langen Trockenzeit sehr staubig. Ich hatte die unglaublich schlaue Idee sogenannte „Rumbles“ aufzunehmen, sehr alltägliche, aber niederfrequente Geräusche, die Elefanten zur Kommunikation nutzen. Klingt simpel, nicht? Ist es aber nicht. Zuerst hatten wir Probleme, die Elefanten überhaupt aufzuspüren. Dann gab es Schwierigkeiten, weil die Motorengeräusche die Aufnahmen störten. Und schließlich wollte ich unbedingt männliche Elefanten aufnehmen, aber die tendieren leider dazu, weniger gesprächig zu sein als die Weibchen. Naja, irgendwann scheinen wir dann doch Glück zu haben, wir finden einen Bullen mit sehr wuchtiger Statur und kurzen Beinen. Er kommt dem Fahrzeug ganz nah – großartig für die Aufnahme! – es ist plötzlich still, der Wind hat sich gelegt, es ist sogar weniger staubig. Ich kann durch meine Kopfhörer das leise Summen von Fliegen hören. Und dann, endlich, höre ich auch den Elefanten, klar und deutlich, und ich drücke auf „Aufnahme“ – große Spannung –, nur um dann zu realisieren, dass das keine „Rumble“-Vokalisation war, die er da von sich gab, sondern, nun ja, eine gigantische Flatulenz.

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