5 Fragen an ... Georg Diez und Emanuel Heisenberg

5 Fragen an ... Georg Diez und Emanuel Heisenberg

Georg Diez und Emanuel Heisenberg, was hat den Ausschlag gegeben für das Schreiben dieses Buches über Technologie und Demokratie?
Wir kommen aus verschiedenen Bereichen, Journalismus der eine, erneuerbare Energien der andere, wir sind befreundet – und in unseren Gesprächen haben wir recht bald festgestellt, dass wir beide einen leicht anarchischen und dabei konstruktiven Geist haben. Wir glauben einfach nicht, dass es keine besseren Antworten gibt auf die Fragen unserer Zeit: Krise der Demokratie, wachsende Ungerechtigkeit, Migration und vor allem die Klimakrise, die uns, gerade als Väter von kleinen Kindern, besonders beschäftigt. Wenn das aber möglich ist, eine andere Energiepolitik, ein anderer Kapitalismus, eine andere Demokratie, warum passiert dann nichts? Nach dem Schock von Brexit und der Wahl von Donald Trump im Jahr 2016 haben wir dann angefangen, aktiv an alternativen demokratischen Visionen zu arbeiten und zu überlegen, wie die Demokratie aus dem Krisenmodus gebracht werden kann. Eines schien uns dabei besonders deutlich: Eine alte Regierungsform, die repräsentative Demokratie, passt nicht in die neue Zeit, die digitalisierte Welt. Was aber, so dachten wir, wenn das angebliche Problem, die Technologie, tatsächlich Teil der Lösung ist? Was also, wenn wir Demokratie mit Technologie neu denken? Und auf einmal taten sich vor uns die Konturen einer anderen, einer besseren Form von Gesellschaft auf.

Euer Buch beinhaltet schon im Titel eine ganz klare Aufforderung: Power To The People! Dahinter steckt eine zutiefst idealistische Haltung, nämlich der Gedanke, dass das Gute schon möglich ist. Wie kommt ihr zu diesem Optimismus?
Das ist unser Weltbild, daran glauben wir, an das Gute im Menschen. Ist das naiv? Das ist eine lange philosophische Diskussion. Wichtig ist zu verstehen: Die Antwort auf diese Frage hat bestimmte politische Konsequenzen. Wenn man denkt, dass der Mensch sich gegenseitig an die Gurgel will, als Wolf unter Wölfen, dann wird man alles tun, damit der Mensch, als Menge, keine Macht bekommt. Damit ist die Demokratie, jedenfalls in ihrer offensten und direktesten Form, eigentlich unmöglich. Der Versuch wurde dennoch unternommen, aber eben mit Einschränkungen. Uns ist klar, dass die Demokratie allein kein Garant dafür ist, dass das Gute entsteht. Und gerade in Deutschland haben wir im 20. Jahrhundert gesehen, was die Mehrheit eines Volkes anrichten kann an Grausamkeit und Massenmord. Aber liegt das in seiner Natur, diese Gefahr? Oder ist es den Verhältnissen geschuldet? Wir glauben, dass die Freiheit des Menschen nichts Bedrohliches ist. Wir glauben, dass der Mensch zu Demut, Einfühlung, echter Verbindung fähig ist. Wenn diese Prinzipien die Grundlagen einer künftigen Gesellschaftsordnung sind, dann, so glauben wir, macht der Mensch das Beste aus sich und seiner Welt, gemeinsam und nicht gegeneinander, solidarisch und kooperativ.

Habt ihr während des Schreibens Erkenntnisse gewonnen, die euch selbst überrascht haben?
Dieses Buch ist in gewisser Weise eine Weltreise, zu den Denker*innen, Visionär*innen und Macher*innen, die schon heute an einer besseren, gerechteren Welt arbeiten. Es ist aber auch eine Zeitreise, nach hinten zu den Anfängen des Internets, dem Optimismus, den Visionen der fünfziger und sechziger Jahre, lange, bevor die digitale Utopie von Facebook und Google gekapert wurde; und nach vorne, in ein technologisches Zeitalter, das häufig im Schatten von Dunkelheit und Dystopie gesehen wird. Wir haben das beim Schreiben immer wieder selbst erlebt: Wie leicht es ist, sich in Angst und Fatalismus zu flüchten. Aber es ist eben eine Flucht, und es ist auch eine bequeme Weltsicht. Die Zukunft, davon sind wir überzeugt, hält für den Menschen viele Möglichkeiten bereit. Wir müssen nur anfangen, dringend anfangen, uns und unsere Welt zu verändern. Diese Veränderung wird anstrengend sein, schon möglich. Aber alles andere wäre fatal.

Ihr habt das Buch gemeinsam verfasst, wie genau hat die Zusammenarbeit ausgesehen und welche Entscheidungen musstet ihr treffen.
Wir haben viel Kaffee getrunken, zuerst in dem einen Café, dann in dem anderen, dann wieder im ersten, es gibt da ja genug in Berlin. Wir haben viel geredet, über die Bücher und Artikel, die wir gelesen haben, wir haben uns mit Menschen aus der Praxis und der Politik unterhalten, Technologen und Strategen, wir haben versucht, so wach wie möglich zu bleiben und immer im Dialog. So ist dieses Buch entstanden, über einen längeren Zeitraum als gemeinsames Gespräch, und dann in der Verdichtung und Kombination der unterschiedlichen Interessen: So abstrakt wie nötig, so konkret wie möglich. Es sind ja gerade die Fallstudien, die einen besonders guten Eindruck vermitteln von den Möglichkeiten und auch schon der Realität der digitalen Demokratie. Barcelona etwa, ein Beispiel, das uns ganz besonders begeistert hat. Francesca Bria, die wir oft getroffen haben, hat es dort als CTO geschafft, die Stadt demokratisch so umzubauen, dass der gemeinschaftliche Besitz und die Verwendung von Daten die Grundlage bieten für eine andere Form von Bürgerverständnis, Bürgerbeteiligung und auch kommunaler Industriepolitik. Für uns war klar, dass dieses Beispiel einen Symbolcharakter weit über Barcelona hinaus hat.

Was wäre euer Wunsch für das Buch, was sollte es idealerweise bewirken?
Wir wünschen uns natürlich, dass dieses Buch gelesen wird, fast noch mehr aber wünschen wir uns, dass es auch genutzt wird. Dieses Buch ist wie ein Werkzeugkasten zu verwenden, um die alte Form der Demokratie in die neue Zeit zu retten. Diese Werkzeuge sind alle schon da, wir müssen bloß lernen, sie richtig zu verwenden. Technologie ist nie gut oder schlecht, sie ist immer das, was wir daraus machen. Wir können es also dem Markt oder autoritären Regimen überlassen uns mit Technologie ärmer oder unfreier zu machen. Oder wir begreifen, dass wir als Menschen und als Gemeinschaft in der Lage sind, die Technologie so zu gestalten, dass sie uns dient. Und nicht umgekehrt. Dazu braucht es aber ein grundsätzliches Umdenken, weg von der neoliberalen Prämisse, dass der Markt alles regelt und der Staat das Problem ist, hin zu einem Bild von Gesellschaft, in der der Staat innovativ und konstruktiv ist und der Markt demokratisiert. Diese Gedanken sind gerade in den USA und Großbritannien schon sehr weit in die politische Diskussion vorgedrungen, wir hoffen sehr, dass unser Buch hilft, die Diskussion auch in Deutschland ins 21. Jahrhundert zu befördern.

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