5 Fragen an ... Florian Freistetter

5 Fragen an ... Florian Freistetter

Lieber Florian Freistetter, in Ihrem neuesten Buch erzählen Sie die Geschichte des Universums in 100 Sternen. Was muss ein Stern mitbringen, um sich für dieses besondere Unterfangen zu qualifizieren?
Es reicht vollkommen, wenn der Stern das tut, was er sowieso immer tut: nämlich ein Stern zu sein. Wir kennen die Sterne meist nur als simple Lichtpunkte am dunklen Nachthimmel. In der Realität sind sie aber enorm komplexe Himmelskörper. Kein Stern gleicht dem anderen und diese enorme Vielfalt spiegelt die Vielfalt der Phänomene in unserem Universum wider. Jeder Stern erzählt für sich alleine schon genug Geschichten für ein ganzes Buch; es ist daher kein Problem 100 davon auszuwählen.

Ihr Buch ist nicht nur eine Geschichte des Universums, sondern auch eine der Astronomie. Wenn Sie einen Stern nennen müsstest, der unser Wissen in den letzten 25 Jahren am meisten revolutioniert hat – welcher wäre das?
Jeder Stern liefert Informationen und man sollte keinen geringschätzen. Wissenschaft ist vor allem auch Stückwerk und nicht nur große Revolution. Aber wenn ich einen aussuchen muss, dann nehme ich 51 Pegasi. Dort hat man 1995 zum ersten Mal einen Planeten entdeckt, der nicht unsere Sonne, sondern einen anderen Stern umkreist. Die Menschen waren seit Jahrtausenden auf der Suche nach solchen fremden Welten und dort hat man das erste Mal eine Antwort auf diese uralte Menschheitsfrage gefunden. Seitdem ist unser Wissen über die Planeten anderer Sterne regelrecht explodiert und heute ist uns klar, dass Planeten ein ebenso normaler und häufiger Bestandteil des Universums sind wie die Sterne selbst.

Wenige wissenschaftliche Entdeckungen erregen so großes Aufsehen wie die der Astronomie. Was fasziniert uns so am Himmel und was macht die Disziplin so besonders?
Der Himmel ist immer da. Seit es uns Menschen als Wesen mit einem Bewusstsein gibt, schauen wir nach oben zu den Lichtern, die wir dort sehen können. Und faszinierend ist der Himmel wohl vor allem deswegen, weil diese Lichter für uns unerreichbar sind. Wir können sie sehen, aber absolut keinen Einfluss auf sie nehmen. Wir haben die dynamische Bühne des Nachthimmels verwendet, um unsere eigenen Gedanken, Wünsche, Mythen und Religionen darauf zu projizieren. Erst seit wenigen Jahrzehnten sind die Sterne keine „Lichtpunkte“ mehr, sondern für uns als naturwissenschaftliche Forschungsobjekte zugänglich. Wir sehen den Himmel mittlerweile nicht nur, sondern verstehen ihn auch. Die mystische Faszination des Unerreichbaren ist aber immer noch tief in uns verankert und deswegen scheint uns alles, was wir über diese so lange so unzugängliche Welt herausfinden, ganz besonders zu interessieren.

*Sie sagen, dass Ihr Buch eine Geschichte des Universums ist, nicht die letztgültige. Was kann man in 100 Sternen erzählen – und was nicht?
Man kann eigentlich alles erzählen. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass sich unsere ganze Geschichte in den Sternen widerspiegelt. Das hat nichts mit Astrologie zu tun! Einerseits haben uns der Himmel und die Sterne von Anfang bei der Menschwerdung begleitet. Kunst, Religion, Kultur, Wissenschaft: Alles wurde auf die eine oder andere Art von Gedanken über die Sterne und das Universum inspiriert. Andererseits hängen aber natürlich auch die Vergangenheit und die Zukunft der gesamten unbelebten Welt von den Vorgängen im Universum ab. Wir leben nicht isoliert vom Kosmos, sondern mitten darin. Die Sterne erzählen also nicht nur die Geschichte von uns Menschen, sondern auch von der Welt, auf der wir leben. Wenn man wollte, könnte man also jedes beliebige Thema mit Hilfe der Sterne erzählen. Um wirklich alle Geschichten erzählen zu können, müssen wir aber vermutlich noch sehr viel mehr Sterne entdecken und erforschen als jetzt. Wir kennen viele Sterne. Aber noch nicht genug für eine letztgültige Geschichte des Universums.

Und die unwissenschaftlichste Frage zum Schluss: Hand aufs Herz – welcher ist der coolste Stern am Himmel?
Der Stern S Cassiopeiae hat eine Oberflächentemperatur von nur circa 1500 Grad Celsius, was für einen Stern extrem kühl ist. Aber so richtig kalt kann ein Stern nicht werden, er braucht eine ausreichend hohe Mindesttemperatur, um leuchten zu können ...
Der Stern, den ich persönlich am heißesten finde, ist wahrscheinlich Beta Pictoris. Der hat an seiner Oberfläche fast 8000 Grad Celsius! Und darüber hinaus war es der Stern, dessen Dynamik ich in meiner wissenschaftlichen Karriere am ausführlichsten untersucht habe. Man kann jede Menge seltsam verklumpten Staub in seiner Umgebung beobachten und hat schon lange vermutet, dass es dort Planeten gibt, die für diese Klumpen sorgen. Ich habe aus theoretischen Modellen vorhergesagt, welche Eigenschaften ein solcher Planet haben könnte – und als man dann 2008 dort tatsächlich einen Planeten gefunden hat, hat das meine Vorhersage recht gut bestätigt. Was ich immer noch sehr cool finde!

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